Homoerotik und Narzissmus: „From Russians with Love“
Ab dem 15. Februar zeigt die Ballery Werke von sieben zeitgenössischen, russischen Künstler*innen, die dem Publikum durch ihre Ästhetik eine unerwartete Perspektive auf ihr Herkunftsland eröffnen
Einer Porzellanpuppe gleich starrt die bleiche Figur ihre Betrachter*innen aus gläsernen Augen an, das aschbraune Haar gleitet kontrolliert den steinernen Körper hinab – allein zart rosige Wangen lassen auf Leben schließen. Was an ein Ölgemälde der Renaissance erinnert, ist in Wirklichkeit eine Fotografie des Moskauer Künstlers Oleg Dou, einer der herausragenden Kunstschaffenden der Ausstellung „From Russians with Love“, dessen pastellfarbene Bilder und Skulpturen ihre Zuschauer*innen in die Abgründe der Schönheit führen wollen.
„Ich weiß nicht genau, warum ich so besessen bin von makelloser Schönheit“, erklärt der queere Künstler im Interview mit SIEGESSÄULE, „schon als ich in meiner Kindheit Bilder malte, waren sie mir nie perfekt genug. Später wurde meine Kunst für mich ein Weg, mich mit den Ansprüchen, die ich an meinen eigenen Körper stelle, auseinanderzusetzen. Daher rührt auch die Entwicklung der Figur des einsamen ,Narzissus‘ in dieser Bilderserie.“ Die homoerotische Wirkung der Porträts, die in Berlin zu sehen sein werden, sei intendiert. „Durch diese Bilder setze ich mich auch mit meiner Beziehung zu Männern und meiner Wahrnehmung dieser auseinander.“
Nachdem die Schöneberger Galerie bereits zu Beginn des Jahres die Arbeiten des russischen Künstlers Igor Skaletsky in ihren Räumlichkeiten zeigte, versammelt sie nun weitere renommierte, russische Künstler*innen, die in ihren surrealen, multimedialen Arbeiten mit Mystik und der Fantasie des Publikums spielen. „Für mich stellen diese Künstler*innen eine aufregende Bewegung in der russischen Kunst dar, die über rein queere Darstellungsweisen hinausgeht“, beschreibt der Kurator der Ausstellung, Simon Williams. „In den ausgestellten Werken provozieren die Künstler*innen die Sehgewohnheiten des Publikums durch den Einsatz eindringlicher Farben, Einflüsse aus traditionell-russischen Stickarbeiten und Mode sowie Popkultur-Referenzen und Aspekte des Camps.“
In den Bildern von Oleg Dou sieht der Kurator einen subtilen Kommentar zu unserem narzisstischen Zeitalter fein polierter Social-Media-Profile. Der Künstler selber dagegen richtet den Blick auf der Suche nach Inspirationen in die Vergangenheit. „In meiner Arbeit versuche ich die Ästhetik und die Tradition klassischer Kunstwerke wieder aufleben zu lassen. Das macht mich wahrscheinlich zum kompletten Gegenteil vieler zeitgenössischer Berliner Künstler*innen. Gerade deshalb bin ich gespannt, meine Arbeiten zum ersten Mal in Berlin zu zeigen“, erklärt Dou schmunzelnd.
Mit dieser traditionsreichen Inspirationsquelle sind seine Exponate in der Ausstellung in bester Gesellschaft. Die eindrucksvoll retuschierten Fotografien der renommierten Künstler*innen Katerina Belkina und Igor Skaletzky spielen ebenfalls mit Bezügen zu religiöser Ikonografie, Renaissance-Malerei neben Aspekten der Moderne. Die intimen Porträts der Fotografen Fedya Ili und Slava Mogutin wiederum inszenieren den nackten männlichen Körper einer antiken Statue gleich und stellen modernes Machotum, Femininität und homoerotische Körperlichkeit einander gegenüber.
Neben der Präsentation eindrucksvoller Exponate lädt die Ausstellung ihr Publikum zum Austausch ein. „Nicht alle versammelten Künstler*innen leben nach wie vor in Russland, aber wir sind alle in einer bestimmten Form geprägt durch unser Heimatland“, erklärt Oleg Dou. „Doch entspricht diese Prägung womöglich nicht den Annahmen, mit denen ein deutsches Publikum den Raum betritt. Die Ausstellung bietet die Chance, Russland auf eine neue Art zu begegnen und die Kunstwerke für sich sprechen zu lassen.“
Andy Dohmen
From Russians with Love,
15.02.–29.02., The Ballery
Russian Valentines Evening,
Performances mit Dame Leyla & Kunal Lahiry & Preview der Ausstellung
14.02., 19:30, The Ballery (Begrenzt auf 50 Tickets!)
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