Interview mit VelsPol-Landesvorsitzendem

Diskriminierung bei der Polizei: „Gegenüber Themen wie HIV besteht oft noch Unwissenheit“

28. Aug. 2019 Charlotte Hannah Peters
Marco Klingberg

Ausschluss von trans* und inter* Bewerber*innen und eines HIV-positiven Bewerbers vom Polizeidienst: Wir sprachen mit Marco Klingberg vom Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter über strukturelle Diskriminierung bei der Polizei

Wie steht es bei der Polizei in Sachen Diskriminierung? Das fragten wir uns bereits in 2018 in Bezug auf die „Polizeidienstvorschrift 300“ (PDV 300): Die schreibt u. a. vor, dass bei Bewerber*innen auf den Polizeidienst das Hormonsystem „intakt“ sein müsse – was einen systematischen Ausschluß vieler trans* und inter* Personen bedeutet. Auf Anfrage von SIEGESSÄULE behauptete das Bundespolizeipräsidium in deutlich transphober Art und Weise, dass bei trans* Personen die „Wahrscheinlichkeit von psychischen Störungen erhöht“ sei (SIEGESSÄULE berichtete).

Im Juli 2019 gab dann ein Gericht in Hannover der Klage eines Polizeikommissar–Anwärters recht: die Polizeiakademie Niedersachsen hatte ihn wegen seiner HIV-Infektion abgelehnt. Da die Infektion erfolgreich therapiert sei, so das Gericht, wurde die Polizeiakademie verpflichtet, über die Bewerbung neu zu entscheiden.

Wir sprachen über diese Fälle mit Marco Klingberg – Ansprechperson für LSBTI* im Polizeipräsidium Land Brandenburg, Stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol) Deutschland und Landesvorsitzender von VelsPol Berlin-Brandenburg

Herr Klingberg: Mitte Juli 2019 entschied ein Gericht, dass ein Bewerber an der Polizeiakademie nicht aufgrund seiner HIV-Infektion ausgeschlossen werden darf. Die Akademie hatte die Ablehnung damit begründet, dass es „bei körperlichen Auseinandersetzungen zu blutenden Verletzungen beziehungsweise Blutkontakten kommen“ könne. Ignoriert wurde dabei, dass bei konsequenter antiviraler Therapie gar keine Ansteckung erfolgen kann. Das Land Niedersachsen hat Berufung gegen das Gerichtsurteil eingelegt. Wie schätzen Sie den Fall ein? Wir als VelsPol haben den Fall natürlich sehr interessiert verfolgt. Wir arbeiten auch intensiv mit der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) und dem Bundesgesundheitsministerium zusammen. Seit Jahren weisen wir bereits auf die diskriminierenden Einstellungsvoraussetzungen der Polizei für von HIV betroffenen Personen hin. Das Gerichtsurteil haben wir entsprechend sehr begrüßt und hoffen, dass es auch im Berufungsverfahren bestand haben wird. Es ist wichtiger Bestandteil zum Abbau von Diskriminierungen aufgrund des HIV-Status. Persönlich zolle ich dem betreffenden Polizeibewerber großen Respekt. Es war mutig, diesen Schritt einer Klage zu gehen.

Wird über Themen wie HIV unter Kolleg*innen beim Dienst gesprochen? Natürlich wird auch in der Belegschaft über das Thema HIV gesprochen. Es zeigt sich aber immer wieder, dass noch generelle Unwissenheit besteht. Hier ist es wichtig, dass das auch im Rahmen der Aus- und Fortbildung thematisiert wird. HIV positive Personen wenden sich nicht selten auch an VelsPol. Kollegen, die von HIV betroffen sind, teilen uns ihre Probleme mit, denen sie im Dienst ausgesetzt sind. Wir versuchen ihnen so gut es geht zu helfen.

Kann sich strukturell die Haltung der Polizei gegenüber HIV positiven Menschen ändern? Ich denke ja.

Was bedarf es dazu? Innerhalb der Polizei natürlich ein intensives Auseinandersetzen mit dem Thema. Aufklärung ist hier sehr wichtig: Was es bedeutet, HIV positiv zu sein, wie der Stand der medizinischen Entwicklung ist, was es heißt, unter der Nachweisgrenze (der Viruslast, Anm. d. Red.) zu sein und welchen Einfluss dies auf die polizeiliche Arbeit hat. Auch haben die Polizeiärzte noch eine sehr konservative Einstellung zu diesem Thema. Diese heißt es, aufzubrechen.

Es tut sich also etwas im Bereich Antidiskriminierung? Auch die Polizeidienstvorschrift (PDV 300) wurde ja endlich überarbeitet (SIEGESSÄULE berichtete). Der systematische Ausschluß vieler trans* und inter* Personen vom Polizeidienst wird damit beendet ... Eine Reform dieser Vorschrift war lange überfällig. Die entsprechenden Beurteilungsmaßstäbe wurden durch eine länderübergreifende Arbeitsgruppe im Auftrag des Arbeitskreises II (Innere Sicherheit) der Konferenz der Innenminister*innen und -Senatoren*innen bearbeitet und neu bewertet. Im April wurde dann die überarbeitete Fassung der PDV 300 vorgelegt.

Warum erst jetzt? Es gab viele Kämpfe auszufechten. Für einige der „betroffenen“ Personen kommen diese Änderungen zu spät; viele haben mit ihren Klagen vor Verwaltungsgerichten den Weg überhaupt erst geebnet.

Und was passiert als Nächstes? Die Vorschriftenkommission befindet sich derzeit in der Prüfung, das Ergebnis soll im November 2019 vorgestellt werden. Mit einem Inkrafttreten der überarbeiteten PDV 300 kann Mitte 2020 gerechnet werden. Ich bin da ganz zuversichtlich – denn der politische Druck ist sehr groß geworden.

Welche Rolle hat VelsPol in dem ganzen Prozeß gespielt? In unserem Verband haben wir die Fachgruppe Trans*, die sich dem Thema intensiv angenommen hat. Es wurde Kontakt mit Politikern im Bundestag und in Landesparlamenten aufgenommen, Änderungsvorschläge der PDV 300 wurden eingereicht – es wurde einfach Druck ausgeübt.

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