Traumahilfe für Männer* vor dem Aus?
Das Berliner Projekt „MUT-Traumahilfe für Männer*“ kann seine Nachfrage kaum decken. Dennoch droht nun ein Finanzierungsstopp. Wir sprachen mit Traumapädagoge Markus Wickert
„Die Anfragen bei uns liegen pro Jahr im hunderter Bereich“, sagt Markus Wickert. Gemeinsam mit einer Psychologin berät der ausgebildete Traumapädagoge bei MUT junge Männer, die sexualisierte Gewalt erleben oder erlebt haben. Trotz des großen Bedarfs droht dem 2017 entstandenen Projekt in der Neuköllner Leinestraße nun ein Finanzierungsstopp. Die bisherige Unterstützung durch die Lotto-Stiftung endet, die Projekte in der Regel nur einmalig fördert. Und ob das Land Berlin die Förderung übernimmt, ist offen.
„Wir hoffen oder fordern eigentlich, dass die Senatsverwaltung für Gesundheit unser Projekt weiterführt“, sagt Markus. Der Antrag dazu sei bereits 2018 gestellt worden. Sollte es keine weitere Unterstützung geben, wäre das eine kleine Katastrophe: „Denn das würde bedeuten, dass wir die Männer irgendwie überleiten in andere Projekte, die es aber, in dieser Vergleichbarkeit, hier in Berlin und auch bundesweit nicht gibt.“
MUT ist ein niedrigschwelliges Angebot des Vereins Hilfe-für-Jungs, das die Lücke zwischen Therapie und Beratung schließen will. Jeder kann hierher kommen. Beraten wird kostenlos, vertraulich und anonym, unabhängig von Alter, Herkunft, sexueller Orientierung, Aufenthaltsstatus oder Krankenversicherung. „Mit dem Sternchen hinter Männer* wollen wir die verschiedenen Formen von Männlichkeit sichtbar machen“, sagt Markus, „inklusive trans* und inter* Personen“.
Die meisten, die sich an MUT wenden, haben sexuellen Missbrauch in Form von körperlicher Gewalt erlebt. Häufig schon im Kindes- und Jugendalter, überwiegend ausgehend von Männern, aber auch von Frauen. Über zwei Drittel der Männer, die zu MUT kommen, sind zwischen 18 und 30 Jahre alt. Sie haben Übergriffe innerhalb und außerhalb der Familie, in der Schule, im Freundeskreis oder innerhalb professioneller Hilfesysteme, etwa in medizinischen Institutionen erfahren.
Niedrigschwelliges Angebot heißt auch, dass es nicht auf die Räumlichkeiten in Neukölln beschränkt ist. „Wir gehen auch dorthin, wo die Männer sich aufhalten“, sagt Markus, „in Haftanstalten, Kliniken, Heime oder wir treffen uns draußen, zum Beispiel am Tempelhofer Feld“. Immer geht es darum, herauszufinden, was die Betroffenen brauchen, damit es ihnen besser geht und sie, wortwörtlich, neuen Mut fassen können.
Bei Bedarf hilft MUT dabei, einen Therapieplatz zu finden oder das Warten darauf zu überbrücken. Wenn nötig, wird auch der Kontakt zu Selbsthilfegruppen vermittelt. „Unser Angebot ist zukunftsweisend, auch für andere Projekte“, betont Markus. Im 2016 beschlossenen Integrierten Maßnahmenplan des Netzwerkes gegen sexuelle Gewalt werde klar gesagt, dass der Ausbau von niedrigschwelligen Hilfsangeboten für Männer gefördert werden soll. „Wir drängen darauf, dieser Empfehlung nachzugehen und den Maßnahmenplan umzusetzen.“
Andreas Marschner
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