Passt wie die Faust aufs Auge: Kylie im Berghain!
Die Entscheidung, Kylie Minogue ins Berghain zu holen, brachte den Betreibern des Clubs Kritik und Spott ein. SIEGESSÄULE-Redakteur Roberto Manteufel findet dies vollkommen unbegründet
Über Facebook erfuhr ich vom Kylie-Konzert im Berghain und dachte sofort, wie geil ist das denn! Ich bin vielleicht nicht der größte Fan der australischen Pop-Lokomotive, die einst von Nick Cave in einem klammen Rosentümpel versenkt wurde. Aber ich schätze sie. Bis heute empfinde ich sie als authentisch, eigentlich sogar als eine ziemlich coole Sau, weil ihre Popstar-Maske für mich nicht gekünstelt wirkt. Ich kaufe ihr jedes einzelne Lächeln ab, das sie uns zeigt. Vielleicht freut es mich deswegen, dass ausgerechnet Kylie im Berghain auftritt – dem Beton gewordenen Symbol für das moderne, liberale Berlin.
Doch kaum machte die Nachricht vom Konzert die Runde, war auf Facebook bereits der Vorwurf zu lesen, dem Berghain ginge es nur ums Geld. In mehreren Newsfeeds hieß es, die Techno-Gemeinde sei irritiert durch den Gig. Begriffe wie „böser Mainstream“ fielen. Zusätzlich wurde noch eine Art Facebook-Anti-Event aus dem Boden gestampft, um zu zeigen, wie scheiße man das alles findet. Darin wird ein DJ-Set von Nadja Abd el Farraq im März im Berghain angekündigt. Über die Geschmacklosigkeit dieses Scherzes (?) muss man kaum ein weiteres Wort verlieren, allein schon wegen der Menschen, die in den Kommentarleisten auf Facebook zeigen, wie wenig Respekt sie vor „Naddel“ haben ... die nun wirklich das Opfer schlechthin unserer hiesigen Medienkultur ist.
Die Initiative unterstreicht aber einen ganz anderen Fakt: In Berlin gehört es zum guten Ton, alles mögliche ad hoc scheiße zu finden – und das Kritik zu nennen. Grundsätzlich werden zuerst einmal schlechte Absichten und niedere Beweggründe unterstellt. Wer den realen, furchtbaren Ausverkauf Berlins in den letzten Jahren verfolgt hat, kann diese Reaktion absolut nachvollziehen. Aus ihr erwächst notwendiger Protest. Doch diese Reaktion bei Kylie im Berghain? Sorry, manchmal ist es nötig, die Kirche im Dorf zu lassen.
Vielleicht stecken hinter diesem Gig banale Gründe: etwa, dass sich die Berghain-Betreiber einfach einen Traum erfüllen. Steile These, ich weiß, vor allem weil an ihr nichts Verwerfliches wäre. Ich persönlich kann mir aber gut vorstellen, dass die beiden Betreiber Kylie schlichtweg mögen. Was kaum verwundert, denn die Pop-Queen ist über Jahrzehnte hinweg zu einer Homo-Ikone geworden, die immer die Nähe zur Community suchte. Auch ihr schlichtes „Nein“ zu einer Heirat in ihrer australischen Heimat, das solange galt, bis die Ehe für alle geöffnet wurde – was seit dem ersten Januar 2018 der Fall ist – wirkte von Herzen aufrichtig. Und nun bot sich dem Berghain die Chance, sie dort auftreten zu lassen. Ich hätte da auch nicht lange gefackelt.
Natürlich steht Kylie für waschechten Pop-Kommerz, und ihr Auftritt ist ein Marketingcoup. Ja und? Passt doch wie die Faust aufs Auge. Denn wenn man, wie das Berghain, seit zig Jahren als einer der berühmtesten Clubs der Welt gilt, ist man genau das: Kommerz. So läuft der Hase eben. Das wissen wir alle und stimmen jeden Tag, in dem wir dieses kapitalistische System durch unseren Lifestyle unterstützen, stillschweigend zu. Warum also gerade Kylie dafür angehen? Das System verlangt solche PR-Schachzüge von allen KünstlerInnen, wenn sie nicht untergehen und über die Runden kommen wollen. Und Kylie ist nun wahrlich keine Kardashian, die den Ruf des Berghains ausnutzt, um neue Stützstrümpfe an den Mann zu bringen. Allein durch den Gig werden weder sie noch der Club reich. Es passen schließlich nur ein paar hundert Leute hinein.
Wenn man aber das internationale Medienecho auf dieses spezielle Konzert in Berlin anguckt, scheint die PR-Strategie voll aufgegangen zu sein. Falls das dafür sorgt, dass Kylies Stern wieder ein bisschen heller scheint, werde ich dem Berghain dankbar sein.
Roberto Manteufel
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