Kommentar

Diskussion um Travestie und trans* Identität: Schubladen hinterfragen!

24. Aug. 2017
Kaey auf einem Plakat von „Travestie für Deutschland" © Steven P. Carnarius

Plakate der Fake-Partei „Travestie für Deutschland", die auch trans* Frau Kaey zeigten, sorgten online für Diskussion: muss Travestie von trans* Identität klar abgegrenzt werden? Kaey kommentiert

Vor einiger Zeit habe ich an einem Fotoshooting für die Kunstaktion Travestie für Deutschland teilgenommen. Das Ergebnis sind Fake-Wahlplakate für die Fake-Partei TfD (Travestie für Deutschland). Auf den Bildern sind allerlei stadtbekannte Dragqueens zu sehen, zum Beispiel Jurassica Parka, Gisela Sommer, Ari Oshri und noch viele andere Szenesternchen. Unter den Portraits stehen verschiedene Sprüche: „Mut zum Wiederstand – gegen Rechtspopulisten“, „Lieber Seide & Brokat, als dumme Nazis im Senat. #NoAfD“ und ähnliches.

Ich war die einzige trans* Frau, die bei der Aktion mitmachte, und mein Konterfei wurde mit den Worten: „Angst vor trans*? Nehmen wir dir. Keine Sorge“ verziert. Letzte Woche wurden dann alle Bilder auf Facebook und Instagram veröffentlicht. Unzählige Leute haben die Beiträge gelikt und geteilt. Ein voller Erfolg also. Doch eine bittere Pille gibt es im Internet doch immer zu schlucken. So lautete einer der ersten Kommentare bei Facebook unter meinem Bild: „Ich finde die Plakate sehr erschreckend. Im gleichen Zug, wie hier für Akzeptanz einer Kunstform, die im alltäglichen Leben so gar nicht stattfindet, geworben wird, zeichnet man auch ein Bild von Transfrauen in die Köpfe der Menschen, das völlig an der Realität vorbei geht.“ Jemand anderes schrieb: „In den Köpfen der Allgemeinheit wird beides  [Travestie und trans*] nicht voneinander getrennt. Darin liegt ja das Problem dieser Darstellungen.“

Die Diskussion darüber, was Travestie mit trans* Identität zu tun hat, wird mit den unterschiedlichsten Argumenten geführt. Das Problem: oft wird sich darauf beschränkt, strenge Grenzen zwischen dem einen und dem anderen zu ziehen. Und, in weiterer Konsequenz, jene anzugreifen, die sich über diese Grenzen hinaus bewegen.

Mir hat die Travestie bei der Selbstfindung sehr geholfen. Mit 17 bin ich das erste Mal in drag unterwegs gewesen und habe sehr schnell die Bühne gestürmt. Irgendwann ist mir dann klar geworden, dass die Bühnenfigur, die ich dort verkörpere, gar keine Kunstfigur ist, sondern sehr viel näher an meiner wahren Identität dran ist als alles andere. Mit dieser Einsicht war die Grundlage für meine eigentliche Transition geschaffen, und die Frau wurde auch im Alltag immer sichtbarer. Auch heute stehe ich noch auf der Bühne. Und auch heute sage ich noch, ich mache Travestie. Was das genau heißt, darüber haben Menschen verschiedene Vorstellungen. Für mich ist Travestie bzw. Drag die Überspitzung von Weiblichkeit. In Frauenzeitschriften steht bei den Schminktips immer, man soll entweder die Lippen betonen oder die Augen. Travestie ist, wenn man die Lippen und die Augen betont. Am besten mit Glitzer!

Natürlich handelt es sich hier um meine persönliche Geschichte, die nicht jede trans* Person so erlebt. Doch Travestie und trans* Identität haben einen gemeinsamen Ausgangspunkt: Travestie ist eine Kunstform, die Geschlechterrollen hinterfragt, sie aufbricht, karikiert, die damit spielt, was eine Frau zur Frau macht und einen Mann zu Mann. Und genau diese Frage stellt sich eigentlich fast jede trans* Person an einem Punkt. Welche Geschlechterklischees muss ich bedienen, um auf die Außenwelt „authentisch“ zu wirken? Welche Verhaltensmuster kommen ganz natürlich von mir? Welche muss ich mir antrainieren?, usw. Man muss sich mit den gleichen Themenkomplexen und Fragen auseinandersetzen, und kommt doch zu einem ganz anderen Ergebnis.

Jede/r sollte verstehen, dass es grundsätzlich möglich ist, Schubladen zu hinterfragen. Sie sind keine festgelegten Instanzen. Dass es sie gibt, ist nicht das Problem. Ich möchte aber, dass es ganz viele gibt, einen riesigen Schrank mit unzähligen Schubladen. Menschen verändern sich, und die Schubladen, in denen sie sich einmal verortet haben, können sich durchaus auch verändern. Dabei ist die Selbstdefinition natürlich Grundvoraussetzung – und die braucht, auch in der Definition um Travestie und trans* Identität, dringend mehr Gehör und Raum.

Kaey

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