Alternative Demo und Event zum CSD: „Queer Liberation March“ und „Queer Picknick“
Update 21.07.17. - Der Queer Liberation March wurde abgesagt! Laut Aussage des Orga-Teams auf der Facebook-Seite des Events konnten nicht genügend HelferInnen mobilisiert werden, um die Demo durchzuführen.
19.07.17 – Der Kreuzberger CSD, der im Juni hätte stattfinden sollen, fiel in diesem Jahr aus. Nun ist am kommenden Samstag, mit dem „Queer Liberation March“, doch noch eine alternative Demo zum großen CSD in Berlin geplant.
Starten wird sie um 15:00 am Friedrich-Holländer Platz, und soll mit einer Kundgebung am Nollendorfplatz beendet werden. Dort wird auch der große CSD vorbeiziehen, der um 12:00 am Kurfürstendamm eröffnet wird und zwischen 15:00 und 17:00 am Brandenburger Tor schließt.
Laut dem Ankündigungstext auf Facebook richtet sich der „Queer Liberation March“ gegen die „Unsichtbarmachung von Kämpfen von PoCs, Trans, Intersex, Geflüchteten, Asylsuchenden, Arbeiter_innen, Menschen mit Behinderung und Frauen.“ Begründet wird der Aufruf zur Demo außerdem damit, der CSD in Berlin sei zu großen Teilen vor allem eine „Zurschaustellung von Pinkwashing“ von Firmen und staatlichen Institutionen.
Ebenfalls am 22. Juli findet, unter dem Namen „CSD Alternative/queer picnic“, ein weiteres alternatives Event in Berlin statt: Geladen wird ab 15 Uhr zu einem Picknick in der Hasenheide. Es soll Essen und Getränke auf Spendenbasis geben, die Einnahmen gehen an die Schwulenberatung Berlin. „Wir wollen einen queeren Raum schaffen, der es uns ermöglicht unsere Identitäten zu zelebrieren – ohne das (mittlerweile) zur traditionellen Christopher Street Parade zugehörige Sponsoring großer Firmen, der vielen Werbung und die bisweilen nervenaufreibenden Menschenmassen,“ so die Facebook-Beschreibung des Events.
Damit ihr euch ein noch besseres Bild von den Inhalten und der Ausrichtung des „Queer Liberation March“ machen könnt, haben wir dem Orga-Team der Demo ein paar Fragen per E-Mail gestellt.
Wer organisiert den „Queer Liberation March“? Wir sind eine kleine Gruppe von fünf OrganisatorInnen und Freunde, darunter Dusty Whistles und D.W. Soares.
Was ist eure Kritik am großen CSD in Berlin? Die Parade zum Christopher Street Day ist benannt nach dem „Christopher Street Liberation Day“ – der Demonstration, die auf die Stone Wall Riots von 1969 folgte. Das waren Akte politischen Widerstands und zivilen Ungehorsams. Der CSD, wie wir ihn verstehen, ist kein Tag für PolitikerInnen, um Fotos zu machen und ihre Toleranz vorzuführen. Auch kein Tag für Unternehmen, um von unserer Ausbeutung zu profitieren, oder für die Polizei, um ihr Image aufzubessern, während sie gleichzeitig unseren Widerstand zum Schweigen bringt. Außerdem finden wir, dass Teile der Community auf der CSD-Parade, wie auch in der Gesellschaft überhaupt, besser repräsentiert sind als andere. Das Beispiel Alice Weidel zeigt sehr gut, wie abgeschnitten manche Teile der LGBTI-Community heute von den Kämpfen anderer LGBTIs sind.
Seht ihr eine Parallele von eurer Demo zum Kreuzberger CSD? Wir verfolgen einen ähnlichen Ansatz. Hinter unserer Demo stehen aber weitaus weniger Leute mit weniger Ressourcen und weniger Zeit. Der Kreuzberger CSD (oder X*CSD/ TCSD) konnte dieses Jahr nicht statt finden. Die Gründe dafür liegen innerhalb der LGBTIQ-Community selbst: Burnout, die Unfähigkeit zur Selbstreflektion, eine Kultur der Spaltung und des Separatismus und ein Mangel an Bereitschaft, sich auf intersektionelle Kämpfe einzulassen.
Auf dem Kreuzberger CSD der letzten Jahre kam es immer wieder zu Streit zwischen AktivistInnen. Letztes Jahr gab das Thema „Pinkwashing“, das in Redebeiträgen auf der Kreuzberger CSD-Demo unter anderem auf den Staat Israel bezogen wurde, Anlass zu Diskussionen. Beiträge der Gruppe „Berlin against Pinkwashing“ und des Wagenplatzes Kanal drückten Solidarität mit Palästina und der BDS-Bewegung („Boycott, Divestment, Sanctions“, also Boykott israelischer Waren) aus. Dies wurde von anderen Anwesenden auf der Demo scharf kritisiert: den Boykott-Aufruf gegenüber einem jüdischen Staat sahen sie als antisemitisch an. Was ist eure Position zu der Debatte? Wie definiert ihr den Ausdruck „Pinkwashing“? Unter dem Begriff „Pinkwashing“ verstehen wir die vorgebliche Offenheit gegenüber Queers, die sich Staaten und Unternehmen auf die Fahnen schreiben, um sozial progressiv und tolerant zu wirken. In der Realität ist aber oft das Gegenteil der Fall. Bestes Beispiel: die Diskussion um die Eheöffnung. Merkel tut in der Öffentlichkeit so, als ob sie Schwule und Lesben unterstützen würde. In ihren Aussagen wird aber immer wieder klar, dass sie LGBTIs und Heterosexuelle nicht auf eine Stufe stellt. Zum Problem des Antisemitismus und zur Diskussion letztes Jahr: wir haben beobachtet, dass es oft nicht-jüdische Deutsche sind, die definieren wollen, was Antisemitismus ist. Jede/r sollte sich gegen Antisemitismus einsetzen. Aber die Definition darüber, was antisemitisch ist, sollte schon Juden und Jüdinnen überlassen bleiben. Wenn jüdische Menschen und PalästinenserInnen über ihre Kämpfe sprechen wollen, unterstützen wir das.
Interview: FS