Neue Kampagne richtet sich gegen das Prostituiertenschutzgesetz
Eine heute gestartete Kampagne fordert Grundrechte für SexarbeiterInnen. Kritisiert wird das neue Prostituiertenschutzgesetz, das im Juli in Kraft treten soll
Am 2. Juni ist wieder „International Sexworkers Day“, in Deutschland auch bekannt als „Internationaler Hurentag“. Er geht auf eine Kirchenbesetzung 1975 in Lyon durch SexarbeiterInnen zurück, mit der sie gegen staatliche Repressionen und schwierige Arbeitsbedingungen protestierten. Seitdem erinnert der inoffizielle Gedenktag an die Lage von Arbeitenden im Prostitutionsgewerbe.
Dieses Jahr gibt es leider wenig zu feiern, finden mehrere Organisationen und Netzwerke von SexarbeiterInnen in Berlin. Denn am ersten Juli wird das sogenannte ProstituiertenSchutzGesetz (ProstSchG) in Kraft treten, das letzten Sommer vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde und gravierende Änderungen in der Branche mit sich bringen wird.
„Dieses Gesetz schützt SexarbeiterInnen nicht, sondern kontrolliert und bevormundet sie“, sagte Stephanie Klee, Sprecherin der neuen Kampagne „Sexarbeit ist Arbeit. Respekt!“ heute auf einer Pressekonferenz im Nachbarschaftstreffpunkt Huzur in der Bülowstraße. Hinter der Kampagne, die auf der Konferenz vorgestellt wurde, steht ein breites Bündnis aus SexarbeiterInnen, feministischen AktivistInnen, SozialarbeiterInnen und UnterstützerInnen, darunter auch der BesD e.V., der Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen. Mit dem ProstitutionsSchutzGesetz, das das seit 2002 geltende Prostitutionsgesetz (ProstG) ablösen wird, würden Grundrechte von SexarbeiterInnen eingeschränkt, so Stephanie Klee für das Bündnis.
In der Kritik stehen vor allem die umfassenden Kontrollmaßnahmen, die das neue Gesetz vorsieht. Etwa werden alle erotischen oder sexuellen DienstleisterInnen dazu verpflichtet, sich bei Behörden mit persönlichen Daten, Meldeadresse und Foto zu registrieren und sich einen Ausweis ausstellen zu lassen. Unter das Gesetz fallen sowohl die Straßensexarbeit als auch das Arbeiten im Bordell, Escort-Services, Dienstleistungen im BDSM-Bereich, Tantra und erotische Massagen. Wer eine dieser Tätigkeiten ohne offiziellen Ausweis ausübt, kann mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro belangt werden. Verpflichtend sind außerdem eine Gesundheitsberatung, die jährlich, bei unter 21-Jährigen alle sechs Monate, wiederholt werden muss. Welche Behörden für die Registrierungen zuständig sind, obliegt dem jeweiligen Bundesländern. In Frage kommen zum Beispiel Polizeistellen, Melde- oder Gewerbeämter.
Der Datenschutz sei dabei nicht gewährleistet und die Gefahr von Zwangsoutings steige, kritisiert das Kampagnen-Bündnis. Dies mache SexarbeiterInnen verletzlicher und erpressbar, warnt auch das International Committee on the Rights of Sex Workers (ICRSE), das ein Briefing zum Gesetz veröffentlicht hat. Es sei zu erwarten, dass viele sich aus Angst vor einem Outing gar nicht registrieren lassen. Auch für Menschen, die beispielsweise keine feste Meldeadresse haben oder ohne sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland leben, ist eine Registrierung nicht möglich. Die Folge: jene, die ohnehin schon unter besonders prekären Verhältnissen arbeiten, würden weiter in die Illegalität gedrängt. Die Pflicht zur Registrierung verstoße außerdem gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl (§12 Grundgesetz), sagt Margarete von Galen, Fachanwältin für Strafrecht in Berlin und ebenfalls Mitglied im Bündnis, auf der heutigen Pressekonferenz.
Langfristige Ziele der Kampagne sind die Entstigmatisierung der Sexarbeit, die Anerkennung als Beruf und die arbeitsrechtliche Absicherung. Im Rahmen der für zwei Jahre angesetzten Kampagne sind auch bundesweite Protestaktionen gegen das ProstituiertenSchutzGesetz geplant.
Franziska Schultess
„Kriminalisiert und stigmatisiert durch das neue Prostituiertenschutzgesetz“ - Kommentar von Sexarbeiterin Kristina Marlen (07.05.2016)
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