Nightlife

Die lesbische Szene ist tot! Es lebe die lesbische Szene!

18. Jan. 2016
Serene-Abschlussparty am 16.01. @ Sally B.

Am Wochenende schloss mit der Serene die letzte lesbische Bar ihre Pforten. Wie geht es weiter mit der Berliner Lesbenszene? SIEGESSÄULE-Autorin Isabel Lerch wagt einen Ausblick

Es scheint, als sei die lesbische Szene im Umbruch. Während erst kürzlich das dritte lesbische Magazin im Printbereich herausgekommen ist, machte in diesen Tagen die letzte lesbische Bar in Berlin zu. Während sich im Netz Datingportale wie okcupid und lesarion nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen, scheinen die ehemals klassischen Lesbeninstitutionen zu verschwinden.

Stirbt also die lesbische Szene aus? Ja und nein.

Ja, weil Identitäten fluider geworden sind. Eine Lesbe zu sein haut heute niemanden mehr vom Hocker. Vor allem nicht in Berlin. Als die Romanvorlage für den aktuellen Film „Carol“ herauskam, war die Geschichte noch ein echter Skandal. Zwei sich liebende Frauen in einer Geschichte mit Happy End? Bis dato unvorstellbar. Heute ist solch eine Story nichts Besonderes mehr. Ob wir es gut oder bedauerlich finden – wir Lesben werden mehr und mehr gesellschaftlich akzeptiert. Nicht überall und nicht in dem Maße, dass ein politischer Kampf nicht mehr notwendig sei. Das ist er ohne Frage nach wie vor.

Allerdings könnte genau diese Entwicklung hin zu mehr gesellschaftlicher Akzeptanz eine mögliche Erklärung für die sinkende Nachfrage nach explizit lesbischen Bars und Clubs liefern: Wenn offen lesbisch leben inzwischen weniger ein Problem ist, dann lassen sich potentielle neue Partnerinnen oftmals auch außerhalb der klassischen Szene treffen. Es ist sicherlich einfacher, sich auf einer Lesbenparty kennenzulernen und ziemlich genau zu wissen, wie die andere gepolt ist. Doch es ist genauso möglich, sich in der Uni, auf der Arbeit oder im Sportkurs zu begegnen und sich ineinander zu verlieben – außerhalb der Szene-Treffpunkte. Lesben älterer Generationen mögen genau diesen schmerzlich hinterhertrauen, möglicherweise auch zu Recht. Diagnose: Die klassische lesbische Szene stirbt einen langsamen Tod. Einerseits.

Andererseits lebt die lesbische Identität selbstverständlich weiter. Vor allem im Netz. Heute bietet das Internet jungen Lesben vielfältige Möglichkeiten zu daten und die Traumfrau zu finden. Wo romantische Begegnungen vor einigen Jahren quasi nur in einschlägigen Bars und Clubs möglich waren, erleichtert das Internet die Suche nach einem Sexdate oder einer festen Beziehung heute um einiges. Auch, wenn das Online-Dating manchmal frustrierend sein kann – es hat die Entfaltungsmöglichkeiten und Kanäle des lesbischen Begehrens um ein Vielfaches erweitert.

Wer keine Lust auf Online-Dating hat und lieber in der Offline-Welt nach der besseren Hälfte suchen oder einfach nur lesbisch feiern möchte, kann dies nach wie vor tun. Gewisse Berliner Partyreihen wie die etablierte „L-Tunes“ im SchwuZ oder die neue und für Februar geplante Party „DYKE Ladies Night“ in der Busche sind ein Beweis dafür. Leider wird es immer offensichtlicher, dass dabei gerne mal auf das Wort „Lesbe“ verzichtet wird – Frauen, die Frauen lieben, möchten scheinbar genau als solche wahrgenommen werden und lassen sich nicht gerne in die „Lesben-Schublade“ stecken. Das ist sehr schade – versuchen doch andere Worte wie „girl“ oder „Mädchen“, die bei lesbischen Partyveranstalterinnen immer noch hoch im Kurs sind, die eigentliche lesbische Identität sprachlich zu verschleiern und massenkompatibler zu machen. Die lesbische Szene mag momentan identitär und sprachlich mit sich hadern – tot ist sie deshalb noch lang nicht.

Fazit: Das Schließen der Serene Bar ist bedauerlich – aber vielleicht suchen sich vor allem die jungen Berliner Lesben einfach andere Szene-Hotspots. Sie gehen dann beispielsweise dienstags mit ihren schwulen Kumpels zur „Mädchendisco“ in die Möbel Olfe oder am Wochenende mit ihrer queeren Clique auf eine Party ins SchwuZ. Der klassische Lesbentreffpunkt hat möglicherweise für den Moment ausgedient – vielleicht wird stattdessen eine queerere und dadurch möglicherweise auch inklusivere Identität gelebt. Was großartig wäre.

Doch, liebe Frauen liebenden Frauen, wäre es nicht auch erstrebenswert, die vermeintlich verdrängte oder verloren gegangene lesbische Identität wieder aufleben zu lassen?

Isabel Lerch

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