International

Religiöse und NationalistInnen gewinnen an Macht – seit Mittwoch ist Homosexualität in Indien wieder strafbar

13. Dez. 2013
DemonstrantInnen vor Supreme Court © dpa picture alliance

Vor vier Jahren entschied das Oberste Gericht von Neu-Delhi die Aufhebung der Section 377, jenem britischen Kolonialgesetz aus dem Jahre 1861, welches „körperliche Vereinigungen wider der Natur“ mit bis zu bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft.

Nun entschied der indische Oberste Gerichtshof gegen das ihm untergeordnete Oberste Gericht von Neu-Delhi, dass es mit dem Entschluss von 2009 seine Verfügungsgewalt überschritten habe – allein das Parlament dürfe den Paragraphen 377 entkräften. Die Vermutung liegt nahe, dass es hier um einen Machtkampf geht – ausgetragen auf den Schultern der LSBTI-Community.

„Solche (homosexuellen) Beziehungen sind unmoralisch und schaffen Probleme in der Gesell- schaft.“

Zwar haben sich verschiedene MinisterInnen der regierenden Kongress-Partei
unterdessen gegen die Wiedereinführung der section 377 ausgesprochen.

Aber: In Indien stehen im Frühjahr Regierungswahlen an und die Aussichten der Kongress-Partei sind schlecht. Gerade hat sie bei Landtagswahlen desaströse Ergebnisse erhalten. Die rechts-konservative, hindu-nationalistische Partei Bharatiya Janata Party (BJP) hingegen gilt als kaum noch aufhaltbar. Höchst unwahrscheinlich, dass sie sich homofreundlich gebärden wird.

Angestoßen wurde die jetzige Wiedereinführung des homofeindlichen Gesetzes von der einflussreichsten muslimischen Organisation des Landes, dem „All India Personal Muslim Law Board”. Deren Sprecher, Qasim Rasool Ilyas, lobte den Entscheid vom Mittwoch in höchsten Tönen: „Solche (homosexuellen) Beziehungen sind unmoralisch und schaffen Probleme in der Gesellschaft.“

Außenpolitisch schwenkt Indien mit dem Gesetz gegen Homosexualität auf einen Kurs mit Russland. Die beiden Großmächte stehen derzeit in Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen mit dem Ziel, bis zum Jahr 2015 ein Gesamtumsatzvolumen von über 20 Milliarden US-Dollar zu erreichen.

Die ersten empörten Massen haben sich bereits organisiert und demonstrieren vor den Toren des Supreme Courts gegen die section 377. Die Proteste sind vehement und laut inländischer Medien überraschend – viele auch nichthomosexuelle StudentInnen haben die Hörsäle verlassen, um gegen das Urteil zu protestieren.

Die Regierungspartei scheint den Anlass als Chance zur Neuprofilierung wahrnehmen zu wollen. Die Präsidentin der Kongress-Partei, Sonia Ghandi, sagte in einer Stellungnahme, dass „unsere Verfassung ein großartiges Erbe ist, ein liberales Vermächtnis, welches uns erlaubt gegen Vorurteile und Diskriminierung vorzugehen.“
Torsten Schwick

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