Möbelwerkstatt für Frauen*: queerfeministisches Handwerk
Kreuzberg in der Hochzeit der Häuserbesetzung: rund um die Oranienstraße werden Häuser vor dem Verfall und drohendem Abriss gerettet. Die Räumlichkeiten einer ehemaligen Schokoladenfabrik in der Naunystraße gehören zu den ersten, die exklusiv von Frauen besetzt werden. Es entstehen unter anderem ein Café, Sporträume, ein Hamam und die „Schokowerkstatt“. 1984 gegründet, soll dort der gemeinnützige Verein Schokospäne e. V. Frauen und Mädchen die Möglichkeit geben, Biomöbel zu bauen, Reparaturen auszuführen oder sich in Kursen handwerkliche Fertigkeiten anzueignen.
Arbeiten im Kollektiv
Ab November diesen Jahres beginnt nun in der Werkstatt, aus deren Tür so manch nachhaltiges Möbelstück seinen Weg gefunden hat und die über 30 Jahre lang von Ulli und Rosi aufgebaut und geleitet wurde, eine neue Ära. Das Tischlereikollektiv oax_constructions, bestehend aus Anne, Thais, Winnie und Serra, wird die Leitung übernehmen. Kennengelernt haben die vier sich auf einer FLTI*-Baustelle. Von Anfang an war es ihnen wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen.
„Es gibt in unserem Beruf nicht viele, die keine cis Männer sind – deswegen brauchen wir kollektives Arbeiten. Wir teilen und besprechen alles, von der Finanzierung bis zur Arbeitsaufteilung“, berichtet Serra. Anne betont, es sei ihnen wichtig, Netzwerke aufzubauen – nicht nur für Tischler*innen, sondern auch für Mitglieder anderer handwerklicher Berufe. Und Thais ergänzt: „Uns ist es wichtig zu betonen, dass wir nicht nur weiße Deutsche sind.“
Neue Crew mit Gendersternchen
Auf den erweiterten Blick soll zukünftig auch ein Sternchen im Namen hinweisen: aus der „schokowerkstatt – die frauenmöbelwerkstatt“, wie das Projekt sich bisher noch nennt, soll eine Frauen*werkstatt werden. Wie geht es der alten Leitung damit? „Diese Diskussion ist ja erst seit ein paar Jahren im Gange, auch hier im Zentrum“, sagt Ulli. „Das wird vielleicht nicht mehr so mit mir passieren, aber das ist jetzt die neue Crew und da gibt es ein paar Veränderungen – und das ist auch Ok.“
Altes und neues Team sind sich jedenfalls einig: in Zeiten, in denen die Gentrifizierung durch Berlins Straßen geistert, ist ein Raum wie die Schokowerkstatt von enormer Relevanz. „Es gibt wenig Orte in Berlin, an denen ich mich wohlfühle, und dass die Schokowerkstatt da ist, gibt mir Kraft“, sagt Thais. Ähnlich sieht das Serra: „Es geht nicht nur darum, dass das Individuum irgendwie durchkommt und die Miete zahlen kann, sondern auch darum, diese Räume zu nutzen, für die gekämpft wurde – und sie zu teilen.“ Viele Errungenschaften der Frauenbewegung seien noch nicht erfüllt, betont Ulli. „Es gibt immer noch nicht gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und Frauen sind immer noch in vielen Berufen unterrepräsentiert.“
Weiterbauen
Wie in vielen feministischen oder queeren Vereinen sieht es bei der Schokowerkstatt zwar nach wie vor mager aus, was öffentliche Förderungen betrifft. Das schreckt das Team aber nicht ab. Es muss weitergehen: oax_construction hat im Juni ein Crowdfunding für das Projekt unter der neuen Leitung – mit dem Ziel von 25.000 € – gestartet.
Sie haben gemerkt, wie wichtig innerhalb der queeren Community und in den Frauen*häusern, in denen sie schon gearbeitet haben, handwerkliches Können ist, erzählt Anne. So richten sich die Werkstatt und das Netzwerk sowohl an professionelle Handwerker*innen, als auch an jene, die lernen wollen, Schrauber und Bohrer zu benutzen, zu schreinern oder Reparaturen selbst vorzunehmen – Wissen, das Frauen* immer noch nicht genügend zugänglich ist. Das zu ändern, war der Grund, warum Ulli und Rosi damals die Schokowerkstatt aufbauten, und warum oax_constructions sie jetzt weiterführt.
Link zum Crowdfunding: gofundme.com/f/schokowerkstatt