Politik

Kritik an Bündnissen gegen Homophobie: Mit Firmen gegen LGBTI-Feindlichkeit?

25. Juli 2019

Es klingt wie ein starkes Zeichen: „Wir, die Unterzeichner dieses Aufrufes, verpflichten uns, im Alltag jeglicher Form von Diskriminierung entgegenzutreten. Wir engagieren uns für Anerkennung und Respekt gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender.“

Diese zwei Sätze stammen aus dem Aufruf des Berliner „Bündnisses gegen Homophobie“. Wer den unterschreibt und vorher ein Kooperationsgespräch erfolgreich absolviert, ist Mitglied im Bündnis, erklärt der Leiter des Bündnisses, Johannes Blankenstein: „Im Kooperationsgespräch verschaffen wir uns ein Bild von der Lage im Unternehmen, indem wir uns mit den Leuten treffen und gucken, dass das Engagement auch authentisch ist.“

Dabei ist fraglich, wie authentisch das Engagement mancher Bündnis-Mitglieder tatsächlich ist – wie im Fall des amerikanischen Pharmakonzerns und Viagra-Herstellers Pfizer, der Messe Berlin oder auch der Technischen Universität (TU) Berlin. Pfizer spendete in den USA 2017 und 2018 fast eine Million Dollar an homo- und trans*feindliche Politiker. Die Messe Berlin stand dieses Jahr in der Kritik, weil sie Malaysia zum Partnerland der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) machte – und damit einen Staat, in dem Homosexuelle gefoltert werden. Zwar will die ITB ab 2022 einen „Verhaltenskodex“ für Partnerländer geltend machen, für 2020 ist aber erstmal wieder ein LGBTI-Verfolgerstaat, Oman, als Partner vorgesehen. Und erst vor kurzem beklagten sich an der TU trans* Studierende über Diskriminierungen, weil sie ihre selbstgewählten Vornamen nicht benutzen dürfen.

Keine festen Mindeststandards

Nicht jedes Unternehmen, das Mitglied werden will, werde automatisch aufgenommen, beteuert Jörg Steinert, der zur Zeit wegen anderer Debatten in der Kritik stehende Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbands Berlin-Brandenburg (LSVD). Der LSVD ist Träger des Bündnisses, das insgesamt 122 Mitglieder hat. Anfragen, die nicht positiv beantwortet werden konnten, habe es in der Vergangenheit bereits gegeben.

Feste Mindeststandards müssen angehende Mitglieder allerdings nicht erfüllen: „Allein schon, weil wir so verschiedene Organisationen haben“, begründet das Bündnis-Chef Johannes Blankenstein. Man könne eine Firma wie den Softwarehersteller SAP zum Beispiel nicht mit einem Sportverein vergleichen. Der Ansatz des Bündnisses sei, „die Mitglieder stetig zu sensibilisieren und einen aktiven Austausch untereinander zu fördern, um dadurch Diskriminierung abzubauen“. Die Mitglieder werden aber nicht verpflichtet, vordefinierte Maßnahmen zu ergreifen, die die Diskriminierung queerer Menschen verringern.

Der schwule Blogger und Autor Johannes Kram findet es zwar grundsätzlich gut, wenn Firmen ein Zeichen für Vielfalt setzen, sagt aber auch: „Wenn nicht ganz konkrete Maßnahmen eingefordert werden und deren Umsetzung auch überprüft wird, dann sind solche Bündnisse reine PR, die letztendlich den queeren Mitarbeiter*innen in den Rücken fällt!“ Als Maßnahmen denkbar seien zum Beispiel Aktionspläne gegen Diskriminierung, die auf die jeweilige Firma ausgerichtet sind.

So etwas ist aber auch für Unternehmen und Institutionen im „Berliner Toleranzbündnis“ nicht verpflichtend. Das hat sogar mehr als 130 Mitglieder und basiert – wie das „Bündnis gegen Homophobie“ des LSVD – ebenfalls vor allem auf Freiwilligkeit. Verpflichtet werden die Mitglieder lediglich, „einmal im Jahr in ihrer Einrichtung selbst oder mit uns zusammen ein Zeichen für gesellschaftliche Toleranz und Vielfalt, und gegen jede Form von vorurteilsmotivierter Hassgewalt, zu setzen“, so Bastian Finke. Finke ist Chef des schwulen Berliner Anti-Gewalt-Projekts Maneo, das 2009 das „Berliner Toleranzbündnis“ ins Leben gerufen hat. Wie dieses Zeichen konkret aussieht, bleibt den Mitgliedern überlassen.

Zwar müssten sie zu Beginn der Mitgliedschaft eine Toleranz-Absichtserklärung unterschreiben. Verbindliche Mindeststandards werden aber auch hier nicht verlangt. „Das ist ein Gebiet, auf dem wir uns weiter betätigen werden“, erklärt Finke. So habe vor kurzem die Arbeit an einem Zehn-Punkte-Plan begonnen, in den Mindeststandards für Mitglieder aufgenommen werden sollen. In drei bis fünf Jahren könnte der dann implementiert werden – vorausgesetzt, die Mitglieder stimmen zu.

Klaas-Wilhelm Brandenburg

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