Weihnachten

Jurassica Parkas Weihnachtsfoto: So schmerzhaft wie die Geburt Christi

24. Dez. 2018

„Du sag mal, wann machen wir denn unser Weihnachtsfoto eigentlich? Ist ja schon bald wieder soweit”, schallt es durch den Telefonhörer. Am anderen Ende ist meine Mutter. Versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Mutter über alles, aber wenn es um Weihnachten geht, da versteht sie nun wirklich keinen Spaß. Die Adventszeit und Weihnachtstage sind bei meinen Eltern eine minutiös durchorganisierte Angelegenheit. Okay, mein Vater interessiert sich nicht besonders für die Dekoration des Hauses, er fügt sich seinem Schicksal – eine Wahl hat er auch nicht. Aber erfahrungsgemäß besitzen Väter ja gern einen Rückzugsort in der Garage, im Garten oder Keller. Oder dann doch gleich die Kneipe.

Aber kommen wir zum Foto zurück. Meine Mutter verschickt jedes Jahr Weihnachtskarten mit einem Foto von uns vieren, also meine Eltern sind da drauf, mein Partner und ich. Eine süße Idee, Mutter steckt da auch viel Sorgfalt rein – das muss hier festgehalten werden. Was mich an dem ganzen Weihnachtskarten-Brimborium aber verstört, ist die versteckte politische Brisanz!

Folgender Dialog zwischen Mutter und Vater: „Na, also die Schumanns haben uns letztes Jahr keine Karte geschickt, ich würde sagen, ich schreibe dieses Weihnachten nochmal eine, und wenn dann nichts kommt, ja… dann ist auch vorbei.”
„Aber ne Geburtstagskarte haben sie letztens geschickt.”
„Ja, die kam aber zwei Tage zu spät.”

Bei meinen Eltern sind Grußkarten so etwas wie eine unsichtbare Währung. Eine vergessene Grußkarte ist ein Schlag ins Gesicht der empörten Mutter. Ich denke, das ist einfach eine Frage der Generation. Für mich ist die vergessene Grußkarte vielleicht mit einem heimlichen Entfreunden auf Facebook gleichzusetzen.

Dieses Jahr machte ich den vorsichtigen Vorschlag, das gemeinsame Weihnachtsfoto unkomplizierter zu organisieren. Ich hatte einfach keine Lust, nur wegen des Fotos noch zum Frisör zu gehen und dann extra nach Rudow zu fahren. Man will ja auch gut aussehen. Mutter sah gleich alle Felle davonschwimmen und rief: „Aber das Foto ist doch eine Tradition in unserem Hause!” Ich beschwichtigte sie sofort, und schlug vor, eine Photoshop-Collage zu machen … etwas wie unsere vier Gesichter auf Weihnachtswichtel montiert oder so. Mutter war zufrieden.

Der Enstehungsprozess inklusive vieler Erinnerungs-WhatsApps war sicherlich genauso schmerzhaft wie die Geburt Jesu Christi. In einem kalten Stall. Aber letztendlich wurde dann doch alles zeitig fertig, Mutter konnte verschicken, der vorweihnachtliche Frieden ist hergestellt.

Heilig Abend bin ich mit Mann und Hund bei meinen Eltern. Seitdem es mich auf dieser schönen Welt gibt, gibt es auch immer das gleiche Essen zu Weihnachten: Gans, Klöße, Grünkohl und Rotkohl. Da sind wir wieder bei den Traditionen. Dieses Jahr haben meine Eltern aber den Weihnachtsbaum schon am 22. aufgestellt, normalerweise passiert das immer erst am 24. Im Alter werden sie noch rebellisch. Mein Vater begründete das so: „Naja, mein Kind, in unserem Alter weiß man nie, wann es zu Ende geht, also haben wir den Baum jetzt schon aufgestellt.” Pragmatisch. Frohe Festtage und guten Rutsch!

Jurassica Parka

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