Bundestag drückt umstrittenes Gesetz zum dritten Geschlechtseintrag durch
Der Bundestag hat in einer Abstimmung am Donnerstagabend dem von Seehofer eingebrachten Gesetzesentwurf zur Änderung des Personenstandes – trotz massiver Kritik von Opposition und Community-Verbänden – zugestimmt. Änderungsanträge unter anderem von den Linken und Grünen, die den Gesetzentwurf an die Bedürfnisse der Betroffenen anpassen wollten, wurden abgelehnt. Der Gesetzgeber erfüllt mit dem Gesetz die vom Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr beschlossenen Vorgabe, bis Ende 2018 eine neue Regelung für Menschen zu finden, für die weder die Kategorie „weiblich“ oder „männlich“ passt.
Der dritte Geschlechtseintrag lautet nun „divers“, und kann von inter* Personen genutzt werden, die mittels eines ärztlichen Attestes nachweisen können, dass bei ihnen eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt. Unter diesem Begriff werden Diagnosen zusammengefasst, bei denen körperliche Kennzeichen wie Chromosomen, Keimdrüsen oder Genitalien keine „eindeutige Zuordnung zu männlich oder weiblich“ zulassen. Nicht-binäre (trans*) Personen sowie inter* Personen, die die medizinischen Kriterien nicht erfüllen, bleiben davon ausgeschlossen.
Der Entwurf wurde zumindest leicht angepasst: nicht bei allen Änderungen des Personenstandes ist ein ärztliches Attest vonnöten, dies gilt aber nur in besonderen Härtefällen und Ausnahmen. Zum Beispiel dann, wenn der Arztbesuch zu einer Retraumatisierung führe, oder wenn aufgrund einer früheren medizinischen Behandlung die Vorlage eines ärztlichen Attest faktisch nicht möglich war, soll eine eidesstattliche Versicherung der Betroffenen ausreichen.
Damit bleibt das neue Gesetz immer noch hinter den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts und der Verbände zurück. Denn das BVG entschied: das Grundrecht aller Personen, die sich „dauerhaft weder dem einen noch dem anderen Geschlecht“ zuordnen, müsse geschützt werden. So bemängelte etwa Cathrin Ramelow vom Vorstand der Bundesvereinigung Trans* e.V. (BVT*) in einer heutigen Presseerklärung: „Auch wenn das ärztliche Attest nun ergänzt wurde mit der Möglichkeit einer eidesstattlichen Erklärung, schließt das Gesetz nach wie vor einen Teil von inter-, sowie alle transgeschlechtlichen Menschen von der Möglichkeit eines dritten Geschlechtseintrags aus, die sich nicht der binären Geschlechterkonstellation zuordnen.“
Für den Gesetzentwurf stimmten die Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD, dagegen stimmten sowohl die Linke als auch die AfD. Enthaltungen kamen von Seiten der Grünen und der FDP. Der Abstimmung voran ging eine dreiviertelstündige Debatte, in der vor allem die AfD mit ideologisch gefärbter Wortwahl und Aussagen, die an Verschwörungstheorien erinnern, auffiel. So sprach Beatrix von Storch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion, von einem „Sieg des Irrationalismus über die Vernunft“ und sah mit dem Gesetzesentwurf das „Ziel linker Gender-Ideologen, die Familien zersetzen wollen“ erreicht. Dem Bundesverfassungsgericht warf sie fehlende Neutralität vor. Dies führte zu Zwischenrufen im Plenarsaal, Neutralität „fehlt dir auch“ riefen einige Abgeordnete.
Auch die ehemalige AfD- und heute fraktionslose Politikerin Frauke Petry äußerte sich in einer besonders provokativen und LGBT-feindlichen Sprache. So warf sie die Gesetzesänderung mit Gender-Mainstreaming und der Ehe für alle in einen Topf, sprach von einer sogenannten „Frühsexualisierung“ und behauptete, der Gesetzesentwurf sei nach der Ehe für alle ein weiterer Weg in die „Polygamie“ mit bis zu 60 Ehepartnern. Zum Abschluss machte sie ihre queerfeindliche Position nochmal deutlich, indem sie sich mit den Worten „ich als heterosexuelle, diesen Entwurf ablehnende Frau“ verabschiedete.
Enttäuschend fiel auch die Rede der SPD-Politikerin Elisabeth Kaiser aus, die die CDU für den Gesetzesentwurf lobte und für die gute Zusammenarbeit dankte. Sie nannte auch die Bundesvereinigung Trans* e.V. (BVT*), dankte für den inhaltlichen Austausch und erwähnte die über 42.000 Unterschriften, die die BVT* zur Änderung des ursprünglichen Gesetzesentwurfes gesammelt hat. Als positiv an der nun beschlossenen Version des Gesetzes hob sie hervor, dass inter* Personen nicht gezwungen sind, für sich die dritte Option zu wählen, was die Gefahr eines Zwangsoutings bedeutet hätte. Auch Eltern könnten frei entscheiden, welche Option sie für ihr Kind wählen.
Doris Achelwilm von den Linken beurteilte den Gesetzesentwurf als nach wie vor als „sehr enttäuschend“. Als größtes Problem nannte sie, dass der Entwurf nur auf inter* Personen beschränkt sei. Sven Lehmann von den Grünen bezeichnete die im Entwurf festgeschriebene Attestpflicht als „absurd“ und meinte weiter, eine Fremdbestimmung habe im Gesetz nicht zu suchen und kritisierte die damit einhergehende Pathologisierung der Betroffenen. Er forderte eine dritte Option ohne Attestpflicht, außerdem die Abschaffung des geltenden Transsexuellengesetzes, ein Verbot von geschlechtsangleichenden OPs an Säuglingen und eine Entschädigung von trans* und inter* Personen, deren Grundrechte durch die bisherigen Regelungen verletzt wurden, durch die Regierung.
hage