Polen

Nach Angriff auf Infostand: Erste Stettin-Pride braucht Unterstützung

4. Sept. 2018
Am vergangenen Wochenende wurde ein Infostand von Lambda Stettin verwüstet © Lambda Warszawa

Nur 150 Kilometer sind es von Berlin nach Stettin, und doch scheint eine ganze Welt dazwischen zu liegen. Während auf dem Berliner CSD wieder Hunderttausende auf die Straße gingen und ohne Angst feierten und demonstrierten, kämpft die polnische LGBTI-Organisation Lambda Szczecin, die dieses Jahr den ersten Stettiner Pride auf die Beine stellen will, um jede und jeden TeilnehmerIn.

In Polen, in dem seit 2015 die nationalkonservative und rechtspopulistische Partei PiS (Prawo i Sprawiedliwość, deutsch: Recht und Gerechtigkeit) regiert, ist die Lage schwierig, sagt Monika Pacyfka Tichy, Vorständin von Lambda Szczecin. „Die katholische Kirche übt einen großen Einfluss auf PolitikerInnen und die Gesellschaft aus.“ Polen verbietet als eines weniger EU-Länder weiterhin die Ehe für Alle. Auch Adoptionen sind nicht gestattet. „Politikerinnen von Pis agieren mit viel Hetze in den Medien,“ erzählt Monika. „Sie nennen LGBTI 'Sodomiten', 'Perverse' und LGBTI-Aktivismus 'Kampf gegen die Familie', blockieren Verbesserungen im Minderheitenschutz, verbannen Aufklärung über Diskriminierung von Schulen und unterstützen nationalistische Bewegungen.“

Die Geschichte der Christopher-Street-Days in Polen reicht noch nicht weit zurück. Der erste fand 2001 in Warschau statt. Andere große Städte wie Danzig, Krakau oder Posen folgten. Seit ein paar Jahren kommt es nun auch in kleineren Orten zu Demonstrationen für Vielfalt und Gleichberechtigung. „Stettin war 2018 eine der ersten Städte, die eine neue Pride angekündigt haben,“ sagt Monika. „Die Idee kam Anfang des Jahres auf und sofort bildete sich eine Orga-Gruppe. Auch Lambda wurde reaktiviert, eine Organisation, die in den 1990ern und 2000ern aktiv, aber nun schon seit Jahren stillgelegt war.“

Die extrem rechte Politik der Regierung schüchtere die Menschen nicht nur ein, sondern rüttele sie auch wach. Ein Lichtblick in einem bedrohlicher gewordenen gesellschaftlichen Klima. Wie bedrohlich die Lage ist zeigt unter anderem ein Ereignis am vergangenen Wochenende, als ein Infostand von Lambda Szczecin angegriffen wurde. Die unbekannten Täter verwüsteten die Dekorationen aus Regenbogen-Schirmen, riefen "verpisst euch, Stettin will euch nicht" und beschimpften umstehende Personen.

Davon wollen sich die OrganisatorInnen der Pride jedoch nicht einschüchtern lassen. Die Demo wird am Samstag, den 15. September, um 14 Uhr am „Solidarity Square“ und von dort durch das Stadtzentrum ziehen. Rund um die Demo wird es ein Pride-Festival mit u. a. Musik, Film- und Theatervorführungen und einer After-Party inklusive Drag Show geben.

Monika erhofft sich für den Tag eine gute Resonanz. „Wir müssen zeigen wie zahlreich, gut gelaunt und voller Liebe wir sind.“ Alle umliegenden Städte und Länder, darunter insbesondere das nur knapp zwei Stunden mit dem Zug oder Bus entfernte Berlin, seien dazu aufgerufen, die Stettin Pride zu unterstützen. Auch finanzielle Hilfe ist gefragt: viele polnische Unternehmen, die die Pride unterstützen, gibt es bisher leider nicht.

Hannah Geiger

1. Marsz Równości w Szczecinie/ Erstes Szczecin Pride Festival, 15.09., ab 14:00, Soldarity Square Stettin

Berlin travels together for the 1st Stettin Pride Festival

lambda.szczecin.pl/

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