LGBTI-Verbände kritisieren Minimallösung zur „dritten Option“
Das Bundeskabinett hat heute den viel diskutierten Gesetzesentwurf zur sogenannten „Dritten Option“ beschlossen. Neben den Optionen „männlich“ und „weiblich“ soll es zukünftig auch die Möglichkeit geben, gar keine Geschlechtseintragung oder „divers“ als behördlich anerkannte Geschlechtsbezeichnung zu wählen. Dies steht aber nur Personen offen, die medizinisch nachweisen können, dass bei ihnen eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt.
LGBTI-Interessensverbände reagierten entsprechend enttäuscht auf den angenommenen Entwurf. Die Bundesregierung habe eine „historische Chance“ vertan, urteilten die Kampagnengruppe „Dritte Option“ auf Twitter und auch die Bundesvereinigung Trans* (BVT*) in einer heutigen Pressemitteilung. Zwar sei der ursprüngliche Entwurf, der vom Innenministerium unter der Führung von Horst Seehofer eingebracht worden war, in einigen Punkten verbessert worden. So sei die Bezeichnung „divers“ für den dritten Personenstand weitaus passender als der vom Innenministerium zuerst vorgeschlagene Begriff „weiteres“. Intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche können den ihnen bei der Geburt gegebenen Eintrag später auch relativ leicht wieder ändern – allerdings nur mit ärztlicher Bescheinung.
Dies sei „nicht nachvollziehbar“, so Josch Hoenes von der BVT*. Trans* Menschen, die sich nicht-binär zuordnen, blieben von der neuen Regelung ebenso ausgeschlossen wie inter* Personen, die bestimmte medizinische Diagnosen nicht erfüllen. Diesen Punkt hatten auch andere Interessenverbände wie der Verein Intersexuelle Menschen e.V. in vorangegangenen Stellungnahmen zum Entwurf scharf kritisiert.
Die neue Regelung soll ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Oktober letzten Jahres umsetzen: das Grundgesetz schütze demnach auch die geschlechtliche Identität derjenigen Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen. Bis Ende 2018 muss die Bundesregierung das Personstandsrecht entsprechend anpassen.
„Der Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes zur Einführung einer dritten Option beim Geschlechtseintrag war eine große Chance,“ erklärten Grünen-Politiker Sven Lehmann und Monika Lazar in einer heute veröffentlichten gemeinsamen Pressemitteilung. „Das Urteil hat den Weg eröffnet, endlich ein Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg zu bringen, das trans- und intergeschlechtliche Menschen nicht länger pathologisiert, sondern ihre Würde und Rechte stärkt. Die Bundesregierung aber schreibt die Diskriminierung von Trans- und Intersexuellen fort.“
„Wie aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar hervorgeht, bezieht sich die Eintragung des Personenstandsregisters auf die Geschlechtsidentität eines Menschen und die ist nicht allein durch körperliche Merkmale zu bestimmen, “ sagt dazu Josch Hoenes von der BVT*. Der Gesetzentwurf ignoriere die „Pathologisierungen und Gewalterfahrungen, die inter* Menschen im medizinischen System erfahren.“
Dies kritisierte die BVT* auch in ihrem neuen Schattenbericht zu Menschenrechtsverletzungen in Deutschland, der dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) vorgelegt wurde: die Gesundheitsversorgung von gender-diversen Menschen sei nach wie vor ungenügend und oft noch mit Diskriminierungen durch medizinisches Personal und Institutionen verbunden.
Folgend auf den Beschluss zur „Dritten Option“ will die Bundesregierung ab nächsten Monat, unter Federführung des Justiz- und Innenministeriums, weitere Regelungen für inter* und trans* Personen erarbeiten. LGBTI-AktivistInnen haben dazu erneut Proteste angekündigt: so plant die „Aktion Standesamt 2018“ eine bundesweite Aktionswoche zum „dritten Geschlecht“ vom 8. bis 12. Oktober, mit einer groß angelegten Abschlusskundgebung in Berlin am 13. Oktober. Im Juli startete bereits die Kampagne „Gleiches Recht für jedes Geschlecht! – Stoppt Seehofers Gesetzentwurf zur dritten Option! Geschlechtervielfalt und Selbstbestimmung jetzt!"“ der BVT*.
fs