Ausstellung

Christiane Härdel über das Lesbische Aktionszentrum: „Wir waren nicht rassistisch“

25. Juli 2018
Gruppentreffen im LAZ, Kulmerstraße, Berlin-Schöneberg, 1975 © LAZ-Archiv

Die Ausstellung „Radikal – Lesbisch – Feministisch" im Schwulen Museum widmet sich der Geschichte des Lesbischen Aktionszentrums (LAZ), der ersten Lesbengruppe der BRD der 1970er. Von 1972 bis 1982 setzten sich darin lesbische Frauen, anfangs noch als Frauengruppe der HAW (Homosexuelle Aktion Westberlin), für Emanzipation und Selbstbestimmung ein.

Christiane Härdel, eine der Kuratorinnen der Ausstellung und Mitbegründerin des LAZ, erzählt im SIEGESSÄULE-Gespräch von der Situation lesbischer Frauen in den 70er-Jahren. Außerdem verriet sie uns, wie sie die Bewegung heute einschätzt und worum es ihrer Meinung nach beim vielbeschworenen Generationenkonflikt zwischen älteren und jüngeren Lesben geht

Christiane, du hast das LAZ mitgegründet?
Ja, ich bin bei der HAW Frauengruppe gewesen. Später waren die Männer- und Frauengruppe der HAW zusammen in einem Haus, jeder hatte eine Etage. Dann haben wir uns entschlossen uns von den Männern zu trennen. Wir haben gesagt: wir sind feministisch, wir sind lesbisch, wir nennen uns jetzt lesbisches Aktionszentrum, so kam das Zustande. Und das habe ich mitgegründet.

Warum habt ihr euch entschlossen, euch von den Männern zu trennen?
Naja, trennen kann man nicht sagen, wir haben ja nie viel zusammen gemacht. Die waren total dominant, die Redebeiträge waren oft von Männern und als wir in der Dennewitzstraße noch zusammen eine Etage hatten, wollten einige sogar, dass wir dort putzen und solche Mätzchen.

Dass ihr putzt?
Ja, das waren die Zeiten! Das war das Frauenbild, aber wir waren es irgendwann mal Leid. Wir waren frauenpolitisch engagiert und hatten Schwerpunktthemen wie Gewalt gegen Frauen, Selbstverteidigung, den Paragraphen 218, die Frauengesundheitsbewegung …

Der Paragraph 218 ist eigentlich kein typisches „Lesben-Thema“, oder? Es geht ja um Schwangerschaftsabbrüche. Für euch war das damals aber sehr wichtig...
Es ging um Frauen und um den Kampf gegen das Patriarchat. Die Lesben waren ja in allen Projekten drin, weil die heterosexuellen Frauen zum Teil gar nicht die Power hatten. Das war sehr schwer für sie, weil sie alle zuhause ihre Macker hatten und ihre Rolle spielen mussten. Es gab einige, die diese Rolle abgelehnt haben und dann auch mit Frauen zusammen waren.

Die dadurch ihr Lesbischsein entdeckt haben?
Ja. Zu dieser Zeit durfte man nicht homosexuell oder lesbisch sein. Aber es haben sich dann eben Frauen, zum Beispiel aus dem Frauenzentrum, ineinander verliebt. Na, da war was los! Einige haben so eine Zuneigung zu Frauen gefasst und ihre lesbische Identität entdeckt. Und das fand ich so spannend.

Wart ihr sehr radikal?
Ja, wir waren sehr radikal und gut drauf, das war auch nötig damals. Man musste so viel Kraft haben, um sich gegen diesen alltäglichen Sexismus, diese alltägliche patriarchale Gewohnheitsunterdrückung zu wehren und wir haben uns gegenseitig gestärkt. Und du siehst, dass uns das nicht geschadet hat, wir waren sehr fantasievoll, haben viele Aktionen gemacht und viel angestoßen.

Wie war es denn damals in Berlin Händchen haltend durch die Straßen zu laufen?
Ich weiß noch wie amerikanische Frauen aus San Francisco oder Los Angeles vorhatten ein Kiss-In zu machen. In der ganzen Welt sollten Schwule und Lesben sich küssen. Das wollten wir auch tun und haben dann besprochen, wer von uns jetzt wen küsst. Die Paare durften sich nicht küssen, dann wären sie privilegiert gewesen. Man durfte immer nur eine küssen, mit der man nicht zusammen war – also ein Theater (lacht)! Und dann haben wir uns zum Teil trotzdem nicht getraut. Wir waren auch schüchtern, hatten Angst.

Hast du selbst homophobe Gewalt erfahren?
Ja. Auch einfach so, die ständige Diskriminierung: „Lesbische Schweine“, „schwule Schweine“ und so weiter. Ich hab‘ in Friedenau gewohnt, das war die beste linke Gegend, Kommune 1 und so weiter. Wenn ich aber mit meiner Freundin auf den Cosimaplatz gegangen bin und wir haben Händchen gehalten, dann hat uns einer hinterher gerufen „euch hat man wohl vergessen zu vergasen“, das war die Stimmung damals. Du durftest nicht schwul oder lesbisch sein. Und deswegen finde ich, wir müssen jetzt aufpassen, denn es gibt wieder beängstigende Tendenzen.

Deshalb habt ihr euch entschlossen, die Ausstellung zu kuratieren?
Das war einer der Gründe, die politische Stimmung. Dieser Rechtsruck. Das hat sich so entwickelt und ich bin sehr froh, dass wir das gemacht haben.

Ihr wart ja Teil der Frauenbewegung, die sich unter anderem mit Rassismus auseinandergesetzt hat. Inwieweit hat das LAZ das auch getan?
Wir waren sehr stark engagiert in der Frauenbewegung, das Thema Rassismus gab es in der Form nicht. Wir waren alle weiß, es war nicht das Thema. Wenn du siehst, was wir für Arbeitsgruppen hatten, wir haben uns mit allem auseinandergesetzt und wenn Rassismus ein Problem gewesen wäre zu der Zeit, hätten wir uns damit auch beschäftigt. Du kannst die Martin Luther Straße umbenennen, Karl Marx abschaffen, die Bibel wegschmeißen, du kannst gar nichts mehr, wenn du alles über die gleiche, sogenannte 'neofeministische Elle' misst, das geht nicht. Wir müssen doch auch zu unserer Vergangenheit stehen und wir waren nicht rassistisch. Es war überhaupt gar kein Thema und dass uns das jetzt angehängt wird, das finde ich wirklich ...

Von wem wird euch das denn angehängt?
Zum Beispiel in einer Masterarbeit. Da wird über das LAZ geschrieben, dass wir rassistisch waren. Das sind alles Vermutungen. Es war wichtig, dass wir uns für die Frauen und die Lesben eingesetzt haben. Wir konnten uns nicht für die ganze Welt einsetzen. Es sind auch extra welche von uns in die USA gefahren, um Kontakte zu knüpfen, Ilse Kokula zum Beispiel, die jetzt den Preis für lesbische Sichtbarkeit bekommen hat, die war damals in den USA. Das fällt alles unter den Tisch.

Hast du das Gefühl, es gibt einen Generationenkonflikt zwischen jüngeren und älteren Lesben, gerade in Bezug auf queerfeministische Positionen?
Ja, also ich sehe den Queerfeminismus nicht als Generationenproblem an, nur insofern als dass die jungen Lesben an den Unis meiner Meinung nach teilweise indoktriniert werden.

Indoktriniert?
Finde ich. Es ist eine Unverschämtheit, den jungen Leuten an der Uni beizubringen, dass wir uns in einem postsäkularen Zeitalter befinden und dieses ständige Relativieren von allem, dass niemand mehr irgendeinen Standpunkt haben kann, das finde ich nicht korrekt. Und das nehme ich den Frauen, die jetzt auf den Professoren-Stellen sitzen übel. Das ist für mich aber kein Generationenkonflikt, sondern das ist ein Konflikt mit der Universität, mit der Genderforschung.

Meinst du die Gender Studies?
Ja, weil was sollen denn die jungen Frauen machen, die müssen doch diesen Quatsch nachschreiben. Die kriegen doch keine Masterarbeit oder Doktorarbeit, wenn sie nicht eine bestimmte Ideologie vertreten.

Monne Kühn hat in ihrer Eröffnungsrede auch die heutige Bewegung angesprochen und ich hatte das Gefühl, ihr fühlt euch von jüngeren Queers ein bisschen angegriffen. Ist das so? Oder nicht?
Nein, wir sehen, dass es schwierig ist, Frauen und Lesben Standpunkte zu vertreten und wir wollten in der jetzigen Zeit nochmal dokumentieren wie eine aktive und starke Bewegung ausgesehen hat und darüber sprechen, ob so eine Bewegung auch jetzt wieder nötig ist oder nicht.

Du hast in der Eröffnungsrede gesagt, das LAZ wird neu gegründet?
Ja, wir machen ein 'LAZ reloaded', weil wir selber Zeitzeuginnenforschung und Veranstaltungen machen wollen, auch um mit den Jüngeren ins Gespräch zu kommen. Da stellen wir uns zur Verfügung. Wir wollen ja nicht wie Insekten erforscht werden, wir sind ja da, das ist viel besser.

Interview: Hannah Geiger

Ausstellung "Radikal – Lesbisch – Feministisch", 06.07. - 06.11.2018 im Schwulen Museum*, Infos unter: schwulesmuseum.de

v. l. n. r.: Regina Krause, Christiane Härdel und Monne Kühn, KuratorInnen der Ausstellung „Radikal – Lesbisch – Feministisch" im Schwulen Museum © Jackielynn

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