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Neue Details zur Darkroom-Schließung: Handelt es sich um Anzeigen aus der Szene?

25. Apr. 2018
Scheune © jackielynn

Kurz vor Ostern wurden im Nollendorfkiez mehrere Darkrooms geschlossen. Der Grund: bauliche Verstöße gegen die Brandschutz-Vorschriften. Die Presse berichtete von einer Schließung in drei Clubs und einem unverhältnismäßigen polizeilichem Einschreiten. Dabei enterten mitten in der Nacht Polizei und Ordnungsamt die Fetischbar Scheune in Schöneberg und versigelten den Darkroom. Betroffen sind aber letztendlich nur zwei Clubs, wie Jörn Oltmann, Bezirksstadtrat und Leiter der Abteilung Stadtentwicklung und Bauen, von den Grünen/Bündnis 90 der SIEGESSÄULE erklärte. Im Interview redet der Stellvertretende Bezirksbürgermeister und Leiter der Abteilung Stadtentwicklung über die momentane Situation der Berliner Darkrooms – und darüber, dass die Schließung keinesfalls plötzlich geschah

Welche Darkrooms sind von der Schließung betroffen?
Die geschlossenen Darkrooms befinden sich in „Tom's Bar“ und der „Scheune“. „Mutschmann's“ war zwar in der Presse im Gespräch, allerdings hat der Besitzer erklärt, dass er derzeit nicht mit einer Schließung rechnet.

Wie erfolgte der Ablauf der Schließungen? Der Sauna-Brand im Februar 2017 (in der Sauna „Steam Works“, Anm. d. Red.), bei dem drei Besucher starben, führte zu einer besonderen Sensibilität bezüglich des Brandschutzes in Darkrooms. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Sauna-Brand wurden die Clubs anonym angezeigt. Die Besitzer der angezeigten Clubs spekulieren, dass es sich um Anzeigen aus der Szene handelt. Mit der Motivation, weitere Unfälle zu verhindern, gab es bereits frühzeitig Gespräche zwischen Bauaufsicht und Betreibern der angezeigten Einrichtungen: Bei unserer Begutachtung vor Ort wurde festgestellt, dass die angezeigten Clubs gegen erhebliche bauordnungsrechtliche Vorschriften verstoßen. Daraufhin wurde eine Schließung verfügt. Eine derartige Verfügung bedeutet sofortige Vollziehbarkeit und die Androhung von Zwangsmitteln – die Besitzer sind also aufgefordert, sich umgehend daran zu halten.

Gegen welche Vorschriften wurde konkret verstoßen? Der Darkroom in Tom's Bar bietet keinen zweiten Rettungsweg. In der Scheune hat der Darkroom zum einen keinen sicher begehbaren Zugang, zum anderen verhindert die zu niedrige Deckenhöhe einen Luftabzug im Falle eines Brandes. Aber auch planungsrechtlich stehen noch Fragen offen: Beide Clubs liegen in einem sogenannten Mischgebiet. (Ein Baugebiet, das sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben dient, Anm. d. Red.) Hier gibt es Konfliktpotenzial, denn Darkrooms zählen zu Vergnügungsstätten. In der alten Bauordnung von 1958 steht, dass Vergnügungsstätten in einem Mischgebiet zulässig sind. Nach heutigem Recht jedoch gilt das nur im Ausnahmefall, und sie dürfen eine gewisse Flächengröße nicht überschreiten. Nach altem Recht darf eine Vergnügungsstätte keine störenden Auswirkungen haben. Da die betroffenen Kiezbetriebe schon seit Jahrzehnten existieren, ohne als störend wahrgenommen worden zu sein, könnte dieses Kriterium rechtlich positiv für die Betreiber ausgelegt werden. Die Differenzierung bleibt aber eine Einzelfallentscheidung. Planungsrechtlich gibt es demnach Raum zur Debatte, bauordnungsrechtlich ist die Lage aber eindeutig: Die Architektur der beiden Darkrooms verstößt gegen die Brandschutzregelungen.

Weshalb kam es zu polizeilicher Mithilfe?
Die Polizeikontrollen erfolgten im Frühjahr 2018, also nachdem die Schließung schon verfügt worden war. Bei diesen Kontrollen wurde festgestellt, dass der Darkroom trotz rechtlicher Verfügung für die Besucher geöffnet war.

Der Besitzer der Scheune, Sylvio Jaskulke, berichtet, dass etwa ein Dutzend PolizistInnen die Schließung durchsetzten, ein unverhältnismäßiger Personaleinsatz. Handelte es sich um eine gezielte Aktion seitens der Polizei? Da das Bau- und Wohnungsaufsichtsamt keine Einsätze verordnet, können wir das nicht beurteilen. Es ist bekannt, dass die Polizei in Bezirk Schöneberg Kontrollen in Shisha-Bars durchführt, um die Kohlenmonoxid-Belastung zu testen, und im Zuge dessen auch andere problembehaftete Örtlichkeiten kontrolliert. Natürlich sind Clubs, die der Schließung nicht nachkommen, besonders im Fokus von möglichen Polizeikontrollen. Ob die Polizei die betroffenen Clubs gezielt prüfte, können wir nicht bestätigen.

Wird es voraussichtlich zu weiteren Kontrollen kommen? Allgemein ist zu sagen, dass es keine Prüfungspflicht gibt. Solange bei uns allerdings keine vollständigen Nutzungsänderungsanträge vorliegen, müssen die betroffenen Einrichtungen immer damit rechnen, dass jemand unangemeldet die Lage überprüft. Für die Betreiber heißt das, es ist Zeit rasch zu handeln.

Was sind die nächsten Schritte für die Clubs, damit sie ihre Darkrooms wiedereröffnen können? Zunächst muss es eine rechtliche Stellungnahme der Besitzer geben. Die Bewertung hängt von unterschiedlichen Kriterien ab – der Sachverhalt muss individuell bewertet werden, weil es sich um eine besondere Nutzung handelt. Bisher haben wir nur von Tom's Bar eine rechtliche Stellungnahme erhalten. Wir wissen, dass dort auch schon erste bauliche Maßnahmen getroffen wurden. Damit es zu einer wirksamen Genehmigung kommt, muss es einen Antrag eines Architekten auf Nutzungsänderung geben. Daneben muss ein geprüftes Brandschutzgutachten eingeholt werden, das mitunter sehr zeitintensiv ist. Dieser Zielpunkt wurde noch nicht erreicht, denn es liegen keine Anträge der verschiedenen Betreiber vor. Solange das der Fall ist, gilt der Bereich als ungeklärt und es kann keine Nutzung zugelassen werden. Das Bau- und Wohnungsaufsichtsamt hat selbst ein großes Interesse an einer Wiedereröffnung. Die Vielfalt des Bezirks Schöneberg hat eine lange Tradition und uns liegt es am Herzen, dass die Kultur der Kiezbetriebe auch in Zukunft erhalten bleibt. Natürlich muss die Sicherheit der Besucher aber an erster Stelle stehen.

Interview: Elliot Zehms

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