Künstlerin Sandra Selimovic: „Wir schlagen auch zurück, wenn es sein muss“
Zum Internationalen Tag der Roma am 8. April beherbergt das Maxim Gorki Theater die erste Roma-Biennale, ein Festival von und mit Roma-KünstlerInnen. Im Rahmen der viertägigen Veranstaltung wird das Stück „Roma Armee“, das 2017 Premiere feierte, am 8. und 10. April wieder aufgeführt. Darin glänzt die lesbische Wiener Romni-Schauspielerin Sandra Selimović. SIEGESSÄULE traf sie zum Interview
Sandra, Yael Ronens Stück „Roma Armee“ wurde nach einer Idee von dir und deiner Schwester Simonida konzipiert ... Simonida und ich haben gemeinsam den Theaterverein Romano Svato in Wien gegründet. Die Idee zum Stück ist ursprünglich aus einer Performance zum Thema Rebellion entstanden. Dabei ging es darum, Roma-Jugendliche zu empowern, die sich überhaupt nicht mehr mit ihrer Roma-Identität identifizieren können und sich dafür schämen. Wir sind die größte Minderheit Europas und erfahren überall Diskriminierung, in Europa, weltweit. Die Roma haben weder ein Land noch eine Armee. „Roma Armee“ kam also aus dieser Wut heraus, dass wir uns nie richtig international vereint haben. Es geht darum zu sagen: Ich will raus aus dieser Stigmatisierung, aus dieser Opferrolle, und ich stehe auf und ich wehre mich, und ich bin gefährlich. Wir schlagen auch zurück, wenn es sein muss.
Du bist nicht nur Schauspielerin, sondern auch Rapperin. Mit deiner Schwester trittst unter dem Namen Mindj Panther auf ... „Mindj“ bedeutet „Pussy“ auf Romanes. Das ist reine Provokation, weil generell das Wort „Mindj“ in der Öffentlichkeit kaum ausgesprochen wird und als dreckig gilt. „Panther“ wegen der Black Panthers. Es geht ja um Rebellion. Am 6. April werden wir im Südblock ein Konzert im Rahmen des Romnja* Power Month geben. Der Südblock ist wie ein zweites Wohnzimmer für mich, es ist meine Stammkneipe geworden, wenn ich in Berlin bin.
Wie fühlst du dich generell in Berlin? Diese Stadt ist sehr lebhaft, total bunt und pulsierend. Ich mag es vor allem, in Neukölln unterwegs zu sein. Das sind glaube ich 150 verschiedene Nationen, mit denen man dort lebt. Man sieht kaum Deutsche und überall fühlt man sich wie im Orient, was ich total schön finde. Ich fühle mich hier um einiges wohler als in meiner Heimatstadt Wien. Ich werde hier kaum diskriminiert, sei es wegen meiner Hautfarbe, meiner sexuellen Orientierung oder weil ich Romni bin. Hier gibt es für alles eine Nische und eine Subkultur. Allein in der queeren Szene gibt es mittlerweile POC-, Black women-, Hiphop-Partys, Frauenpartys …
Hat sich Österreich mit der neuen rechtskonservativen Regierung stark verändert? Die letzten Monaten war ich hauptsächlich in Berlin. Ich höre aber, dass es immer schrecklicher wird. Die Leute trauen sich immer mehr, ihren Alltagsfaschismus auf der Straße auszusprechen. Sie sind einfach viel selbstbewusster. Sprüche wie „Daham statt Islam“ oder „Wien darf nicht Istanbul werden“ sind selbstverständlich geworden. Eine konservative rechtsradikale Regierung streicht natürlich als erstes bei der Kunst. Das könnte für uns freischaffende Künstlerinnen fatale Folgen haben. Auch habe ich die Sorge, dass es immer schwieriger wird, ein Visum oder eine Staatsbürgerschaft zu bekommen. Es ist sehr besorgniserregend, ganz generell, aber vor allem auch als Künstlerin.
Und als Lesbe? Als Lesbe natürlich genauso. Es wird auf keinen Fall eine progressive Entwicklung sein. Dieser ganze Kampf zum Beispiel für die Homo-Ehe wird für die nächsten vier Jahren stillgelegt.
Interview: Annabelle Georgen
SIEGESSÄULE präsentiert:
Come out now! First Roma Biennale, 07.–10.04., Maxim Gorki Theater und Studio
gorki.de
roma-biennale.eu
Stück „Roma Armee“, Aufführungen am 08.04, 10.04., 08.05., Maxim Gorki Theater
Abschlussparty zum „Romnja* Power Month 2018“, 06.04., 22:00, Südblock, mit Jilet Ayse, Mindj Panther Roma Armee Fraktion, TAYO, DJ Ipek