Nachruf

Sein Fall soll sich nicht wiederholen! BISS zum Tode von Wolfgang Lauinger

22. Dez. 2017
Bild: © Lauingers, CC BY-SA 4.0
Wolfgang Lauinger im Mai 2015 © Lauingers, CC BY-SA 4.0

Mit großer Bestürzung haben wir die Nachricht vom Tod Wolfgang Lauingers aufgenommen. Wolfgang verkörperte für uns die Gründungsidee unseres Verbands. Unsere Vision ist eine Gesellschaft der Vielfalt, in der Menschen selbstbestimmt und selbstbewusst ihr Leben gestalten und durch bürgerschaftliches Engagement zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beitragen. Wolfgang ist uns hierfür Vorbild und Ansporn.

Mit 99 war er eines der ältesten schwulen Opfer des § 175 StGB. Nun ist er gestorben - ohne rehabilitiert und entschädigt worden zu sein. Er war in den 1940er Jahren in der Swing-Jugend aktiv und wurde daraufhin und aufgrund seiner jüdischen Wurzeln von den Nazis verfolgt und misshandelt. 1951 wurde er wegen § 175 StGB angezeigt und im Rahmen der berüchtigten Frankfurter Prozesse zu Unrecht inhaftiert.

Wolfgang Lauinger engagierte sich dafür, dass die Opfer des §175 rehabilitiert und für ihr erlittenes Unrecht entschädigt werden. Ihm selbst standen nach dem letztlich verabschiedeten Entschädigungsgesetz keine Leistungen zu: Er wurde freigesprochen. Für die erlittene Untersuchungshaft sieht das Gesetz keine Entschädigung vor. Wolfgang Lauinger verstarb in der Nacht vom 20. zum 21. Dezember 2017. Er stand mit seinem Namen und Gesicht für die Rehabilitierung und Entschädigung. Es bestürzt uns, dass Wolfgang selbst keine Gelegenheit hatte, eine wenigstens symbolische Entschädigung und Versöhnung zu erleben.

Wolfgang stand stellvertretend für viele schwule Männer seiner und folgender Generationen, die unter dem § 175 StGB zu leiden hatten und nun auf ihre Rehabilitierung und Entschädigung für das erlittene Leid warteten. Diesen gab er öffentlich Mut, sich auch weiterhin für ihre Anerkennung einzusetzen. Wolfgang wird uns mahnende Erinnerung bleiben, für das zu kämpfen, was ihm bis zuletzt so wichtig war.

BISS wird auch weiterhin dafür eintreten, dass ein Härtefallfonds eingerichtet wird, der nicht nur Berufsschäden wie Degradierungen, Entlassungen, disziplinarrechtliche Nachteile im öffentlichen Dienst sowie gesundheitliche Verfolgungsschäden entschädigt, sondern auch zu Unrecht verbüßte Untersuchungshaft nach § 175 StGB wie im Falle Wolfgang Lauinger anerkennt und ausgleicht.

Sein Fall soll sich nicht wiederholen. Wir werden Wolfgang vermissen. In diesen schmerzvollen Stunden sind wir mit unseren Gedanken bei seinen Angehörigen und den Menschen, die ihm in den letzten Jahren und Jahrzehnten den Halt und die Unterstützung gaben, sich bis zuletzt für uns alle zu engagieren.

Sigmar Fischer


Sigmar Fischer gehört zur Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e. V. (BISS), einem Fachverband, der die Interessen älterer schwuler Männer gegenüber Politik, Gesellschaft und Community vertritt. Aufgabengebiete des Verbands sind u. a. Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung und Förderung von Initiativen und Gruppen.

BISS bietet allen, die zwischen 1945 und 1994 nach den §§ 175 StGB und 151 StGB-DDR verurteilt wurden und nun rehabilitiert und entschädigt werden, eine umfassende Beratung an:

Hotline Entschädigung § 175: 0800 175 2017, Mo-Do: 10:00-16:00

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