Dreck, Spaß und Freiheit: Lesbensport Fußball
Lesben lieben es. Nicht lieb sein, auch mal foulen, im Regen spielen, krachend verlieren, gemeinsam gewinnen, draußen sein, Schrammen am Knie haben. Mit kurzen Hosen rumlaufen. Bewegung auskosten. Nur eine unter tausenden heterosexuellen Frauen pflegt sie, während sie für viele Lesben ein wichtiger Teil lesbischer Kultur ist: Die Liebe zum Fußball. Ob als Spielerin oder als Zuschauerin.
Wer zweifelt, ob sich nach dem Ausscheiden der deutschen Frauen noch jemand für das EM-Endspiel am Sonntag interessiert, kann sich auf die Lesben verlassen. Wer könnte dieser Faszination auch widerstehen: Ein Teamsport mit Ball, mit Stutzen, die man hochziehen kann oder lässig um die Knöchel hängen, ein Sport, bei dem man andere coole Mädels trifft.
Als Kind spielt man einfach drauf los. Spätestens mit der Pubertät kommen die Fragen. Du willst als Mädchen Fussball spielen? Warum machst du nicht einen anderen Sport? Musst du den Jungs immer alles nachmachen? Manche Fragen haben auch Ausrufezeichen: Fussball spielen doch nur Lesben!!!
Irgendwann stellt man selbst fest: Stimmt, in meinem Team sind sehr viele lesbische Frauen. Und wundert sich: Trauen sich heterosexuelle nicht, haben sie keine Lust auf den Sport, halten ihre Freunde sie davon ab? Wie kann man nicht wie bekloppt hinter einem Ball herlaufen wollen? Das macht den Sport natürlich aus lesbischer Sicht auf keinen Fall unattraktiver, nämlich als Lesbe unter vielen Lesben zu sein. Im Gegenteil, es schafft einen eigenen Raum. Mit speziellen Dynamiken, Freundschaften, Verschworenheiten, Liebes-Verwicklungen, Codes, Zugehörigkeiten, Spaß und Freiheit. Selbst Bundesligatrainer haben schon zugegeben, dass es förderlich ist, als Trainer zu wissen, wer jetzt gerade mit wem zusammen ist, um die Teamdynamik zu verstehen.
Dass Lesben Fussball lieben, oder generell die jeweils landestypische „Männersportart“ wie z. B. Rugby oder Eishockey, ist ein kulturgeschichtlich überaus spannendes Phänomen. Auch dass viele „Männersportarten“ durchlässiger und auch für heterosexuelle Frauen interessanter werden, desto mehr Geschlechtervorstellungen sich wandeln.
Außerhalb des lesbischen Zirkels machen Lesben dem Frauenfußball aber nur Probleme. Schadet es der sowieso schon marginalisierten Sportart nicht, wenn bekannt wird, dass so viele Spielerinnen lesbisch sind? Wenn ein vermeintliches Klischee sich als zutreffend herausstellt. Wie soll man damit umgehen? Was soll man als Trainer, als lesbische oder heterosexuelle Spielerin, als DFB, als ARD oder ZDF, dazu sagen? Die Rat- und Sprachlosigkeit zeigt, dass viele immer noch glauben, Lesben seien nicht wirklich vorzeigbar und weit davon entfernt, einer Sportart im öffentlichen Bewusstsein ein cooles Image zu geben. Wahlweise schweigt man daher, oder tut so, als ob alles so selbstverständlich wäre, dass es nicht der Rede wert, oder ganz und gar privat, ist.
L-MAG.de stellte in einem Artikel zur Frauen-EM eine All Star Elf zusammen, die aus lauter lesbischen Spielerinnen aus verschiedenen Ländern besteht. Eine Userin: „Warum gibt es eine ‚Liste der lesbischen EM-Fußballerinnen‘? Warum gibt es Listen für etwas, was ganz normal ist? Ich versteh’s leider nicht!“
Die vielen Likes aber zeigen: Für viele lesbische Frauen sind offene Lesben im Frauenfußball wie Nilla Fischer, Pernille Harder, Ramona Bachmann, Isabel Kerschowski und alle anderen wichtige Vorbilder. Sie fügen dem Vergnügen, Fussball zu gucken und zu fachsimpeln, noch ein weiteres Vergnügen hinzu: Nämlich selbstbewusste lesbische Frauen zu sehen, die sich nicht verstecken. Die keine Angst haben, den Frauenfußball dadurch zu diskreditieren, dass sie sich zeigen. Bei der Frauen-EM stehen an einem Abend, inklusive Trainerin und so mancher Expertin, so viele lesbische Frauen vor der TV-Kamera, wie sonst nur gemeinsam am Tresen einer lesbischen Bar.
Gudrun Fertig
Gudrun Fertig ist Verlegerin und neben Manuela Kay Geschäftsführerin der Special Media SDL GmbH, in der unter anderem SIEGESSÄULE und das Lesbenmagazin L-MAG erscheinen.