„Sense 8“: Nach der zweiten Staffel ist Schluss!

Am 5. Mai erschien bei Netflix die zweite Staffel der US-amerikanischen Serie „Sense8“, die hauptsächlich von den beiden trans Regisseurinnen Lana und Lilly Wachowski inszeniert wurde. Jetzt gab das Unternehmen bekannt, dass die beliebte Serie nach der zweiten Staffel eingestellt wird. Ein Grund für die Absetzung wurde nicht genannt. Dieser dürfte aber wohl kaum an einem fehlendem Interesse beim Publikum liegen, sondern eher an den extrem hohen Produktionskosten. Die zweite Staffel soll über 100 Millionen Dollar gekostet haben.
In der Sci-Fi-Soap-Opera geht es um Personen, die an völlig verschiedenen Orten auf der Welt leben, aber plötzlich durch Telepathie miteinander verbunden sind. Gerade die zweite Staffel der Serie, in der u. a. auch Aufnahmen von der Berliner Szeneinstitution SchwuZ zu sehen sind, fand enorm viele queere Fans. Dies lag vor allem an den spannenden LGBTI-Charakteren: zum Beispiel die trans Politbloggerin Nomi, gespielt von der trans Schauspielerin Jamie Clayton, und der in der ersten Staffel noch ungeoutete schwule Telenovelastar Lito, der von dem Spanier Miguel Ángel Silvestre verkörpert wird. SIEGESSÄULE-Autor Lawrence Ferber hatte die Chance, mit Miguel über die zweite Staffel zu reden
Miguel, wie Lito bist auch du Schauspieler. Inwieweit kannst du die Ängste deiner Figur nachvollziehen, mit der eigenen Homosexualität offen umzugehen? Die Rolle, mit der ich in Spanien meinen Durchbruch als Schauspieler schaffte, war ein extrem cooler und spannender Charakter. Wenn ich dazu Interviews gab, hatte ich beständig Angst, selbst nicht so interessant zu sein wie die Person, die ich spielte. Insofern kann ich schon nachvollziehen, dass Lito versuchte, jemand anders zu sein. Er wollte als ein „perfekter“ Mann erscheinen: maskulin und heterosexuell. Gleichzeitig war das aber auch der Grund, warum seine Performances als Schauspieler unauthentisch wirkten.
In der letzten ausgestrahlten Folge vor der zweiten Staffel beendet Lito das Versteckspiel und outet sich öffentlich als schwul. Damit verliert er aber auch seinen Job. Wie geht es nach seinem Coming-out weiter? Lana wollte hier sehr realistisch die Lebenswirklichkeit eines Schauspielers darstellen. Aufgrund seines Coming-outs kann Lito zwar viel ehrlicher mit sich selbst umgehen und erlebt deswegen tolle Momente, gleichzeitig verwandelt sich aber auch vieles in seinem Leben in eine ziemliche Hölle.
Und welche Auswirkungen hat das auf die Beziehung zu seinem Freund Hernando? Es passieren viele großartige Dinge in dieser Beziehung, aber Lito sieht sich eben auch mit der Situation konfrontiert, keine Arbeit mehr zu haben. Eines seiner Lebenskonzepte bricht plötzlich weg und das hat natürlich deutliche Auswirkungen auf sein Verhalten.
Eines der Highlights der zweiten Staffel ist die sechste Episode, die Lito und Hernando beim Gay Pride in Brasilien zeigt. Kannst du etwas zu den Dreharbeiten sagen? „Sense8“ ist in Brasilien enorm erfolgreich. Für diese Episode hat Lana einige versteckte Kameras bei einer realen LGBTI-Parade platziert, bei der ich – wie im Drehbuch vorgegeben – dann eine Rede halten sollte. Lana wollte Fiktion und Realität mischen. Viele Leute wussten nicht, ob jetzt Lito oder Miguel zu ihnen spricht, aber sie haben großartig reagiert. BrasilianerInnen sind so großzügig und leidenschaftlich. Es war für mich unmöglich, dabei cool zu bleiben.
Warst du überrascht, als Lilly Wachowski im März letzten Jahres ihr Coming-out als trans Frau hatte? Ja, ich war sehr überrascht. Während wir die erste Staffel produzierten, habe ich nichts davon bemerkt. Aber ich bewunderte schon immer Leute, die das, was sie wirklich glauben und fühlen, auch bereit sind zu leben. Und das unabhängig davon, mit welchen gesellschaftlichen Widerständen sie konfrontiert werden. Es sind die authentischsten und liebenswertesten Menschen, die sich nicht in Konflikt mit sich selbst befinden. Für mich war Lillys Coming-out ein Grund zu feiern.
Für die zweite Staffel hat sich Lilly eine Auszeit genommen und Lana war für die Ausführung zuständig. Welchen Einfluss hatte das auf eure Arbeit? Wir haben Lilly sehr vermisst. Es war immer großartig zu sehen, wie diese beiden Genies zusammengearbeitet haben. Lana ist aber sehr kreativ und hatte extrem viel Support, zum Beispiel von David Mitchell (Autor von „Cloud Atlas“), der die neuen Folgen zusammen mit ihr geschrieben hat. Lana hat einen wirklich tollen Job gemacht, dennoch fehlte Lillys Energie.
Interview: Lawrence Ferber