Film

Ellen Page im Interview: „Ich war jahrelang ungeoutet, weil ich Angst hatte“

4. Apr. 2016
Ellen Page in „Freeheld“ © Universum Film

Mit „Freeheld“ kommt wenige Monate nach „Carol“ erneut ein hochkarätig besetzter Lesbenfilm in die Kinos. Ellen Page und Julianne Moore spielen die Hauptrollen in diesem tragischen Biopic nach dem Fall der an Krebs erkrankten Polizistin Laurel Hester, die von ihrem Sterbebett aus für ihre Lebensgefährtin Stacie Andree Pensionszahlungen erkämpfte. Doch anders als der umjubelte „Carol“ erntete „Freeheld“ im Vorfeld jede Menge Kritik, nicht zuletzt aufgrund der allzu pathetisch und schablonenhaft erzählten Geschichte. Autorin Sarah Stutte traf Hollywood-Star Ellen Page bei der Filmpremiere in Zürich

Ellen, was für eine Wirkung versprichst du dir von einem Film wie „Freeheld“? Ich wünsche mir, dass man die katastrophalen Folgen von Diskriminierung erkennt. Vielleicht auch, dass einige aus dem Kino kommen und denken: Das, was ich bisher als anders wahrgenommen habe, ist gar nicht so anders.

Für den Film hast du mit Stacie Andree Kontakt aufgenommen. Wie war es für dich, die Story von ihr persönlich zu hören? Stacie war großartig und wir hatten sofort eine Verbindung zueinander. Wenn man sie trifft, spürt man die große Loyalität und Liebe, die sie gegenüber Laurel immer noch hat. Wir haben viel darüber gesprochen, wie sie sich kennenlernten, ineinander verliebten und wie ihre Beziehung war. Ich bin für diese Erfahrung sehr dankbar. Dabei kamen so viele Schichten zum Vorschein ...

War es schwierig, dem tragischen Thema des Films etwas Positives und eine gewisse Leichtigkeit zu verleihen? Am besten ist uns das mit dem Charakter des schwulen Aktivisten Steven Goldstein gelungen, den Steve Carell spielt. Er hat ein enormes komödiantisches Talent. Weil er auf der Leinwand so einnehmend ist, kann das Publikum Luft holen. Für die Zuschauer ist es befreiend, seinen Kampfgeist zu spüren. Visuell ist etwa die Szene, in der ich Juliannes Kopf rasiere, ein schwerer, trauriger Moment. Aber so verhält man sich, wenn man in einer Beziehung ist und jemanden liebt. Man ist für den anderen Menschen da und hilft ihm.

In Hollywood gibt es nur wenige Frauen, die wie du offen lesbisch sind. Ist die Angst so groß, dann keine Rollenangebote mehr zu bekommen? Die meisten Schauspielerinnen, die sich outen, sind wie ich sehr jung. Vielleicht ist das so, weil wir anders aufwachsen und mehr Freiheit fühlen, als das noch vor dreißig Jahren der Fall gewesen wäre. Allerdings war ich jahrelang ungeoutet, weil ich auch Angst hatte, keine Arbeit mehr zu bekommen. Ich war oft traurig und deprimiert darüber, dass mein Job mir nicht erlaubt zu sein, wer ich bin.

Hattest du nach deinem Coming-out das Gefühl, dass deine Furcht unbegründet war? Ja. Ich wusste nicht mehr, wovor ich eigentlich Angst gehabt hatte. Es spielte plötzlich keine Rolle mehr. Ich war einfach nur glücklich und kreativ inspiriert.

Todd Haynes, der Regisseur von „Carol“, meinte, dass Hollywood sich noch immer auf dem Stand der 50er-Jahre befinde. Würdest du dem zustimmen? Ich bin da optimistischer und kann mir nicht vorstellen, dass ich mit meiner Sexualität so offen hätte umgehen können, wenn wir noch in den 50ern wären. Da wurde man verprügelt oder kam in den Knast, wenn man sich offen dazu bekannte. Es gab keine Ellen DeGeneres, die heute die beliebteste TV-Talkshow der USA moderiert, oder das selbstverständliche Einbinden lesbischer Charaktere in erfolgreiche TV-Serien. Die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber LGBT ist heute viel größer. Zum Glück.

Du gehörst mittlerweile zu einer der Galionsfiguren der Community. Bist du gern in dieser Rolle? Ja, klar. Natürlich ist es manchmal ermüdend, in jedem Interview darauf angesprochen zu werden. Wenn sich mein Leben wie hier mit dem Film kreuzt, ist das natürlich o. k. Doch dass es so interessant zu sein scheint, mit wem ich privat zusammen bin, zeigt mir, dass noch ein langer Weg vor uns liegt. Es wäre großartig, wenn eine junge Schauspielerin sich keine Gedanken darüber machen und keine große, öffentliche Rede zu ihrem Coming-out halten müsste. Wenn sie einfach sein könnte, wer sie ist. Jemanden frei lieben zu können, die Hand dieses Menschen zu halten und so eine Straße hinunterzulaufen: Wenn ich dafür jeden Tag darüber reden muss, wie ich mich damals fühlte und wie es mir jetzt damit geht, dann mache ich das.

Interview: Sarah Stutte

Freeheld, USA 2015, R.: Peter Sollett, mit Ellen Page, Julianne Moore und Steve Carell, ab 07.04. im Kino

SIEGESSÄULE präsentiert: Preview bei MonGay, 04.04., 22:00, Kino International
Einen Überblick über alle queeren Kino- und DVD-Starts im April gibt es hier 

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