Football's coming out?

– Wie im echten Leben auch wird im Fußball oft von Homosexualität gesprochen und Schwulsein gemeint. Wenn Aktionen gegen Homophobie im Fußball laufen, so geht es in der Regel um das angeblich nicht mögliche Coming-out von schwulen Profifußballern. Die Frauen, so der gängige und gleichwohl vollkommen falsche Gedanke, haben es ja da viel leichter.
Weder im Fußball generell haben es Frauen leichter – man erinnere sich nur an die WM auf Kunstrasen, undenkbar im Männerfußball –, noch ist es für Lesben total cool und easy offen zu sein. Im Gegenteil. Denn während im Männerfußball vielleicht die gesellschaftlich üblichen fünf bis zehn Prozent der Beteiligten schwul sein dürften, sprechen wir beim Frauenfußball von mindestens der Hälfte der Spielerinnen. Und dafür ist die Zahl derjenigen, die tatsächlich offen lesbisch sind, beängstigend gering. Frauenfußball, darüber sind sich eigentlich alle Kennerinnen und Kenner einig, wurde maßgeblich von Lesben geprägt, ja gilt geradezu als „Lesbensport“. Doch genau dafür schämt man sich irgendwie. Statt stolz zu sein auf eine mehr oder weniger originär lesbische Errungenschaft will man weg vom Image der „Mannweiber“ auf dem Rasen. Nur sehr zögerlich geben in den letzten Jahren einige Spielerinnen zu, was alle längst wissen: Viele, wenn nicht die meisten Leistungsträgerinnen im Frauenfußball waren und sind auch heute noch lesbisch. Vor allem in Deutschland, der Fußballhochburg der Welt, ist dies ein offenes zwar, aber immer noch ein Geheimnis. Die künftige Trainerin des Frauen-Nationalteams, Steffi Jones, brauchte gefühlte 50 Jahre für ihr öffentliches Coming-out, aber immerhin hatte sie eins und ist damit wesentlich moderner als ihre Vorgängerinnen Silvia Neid oder Tina Theune – die wohl nie ernsthaft jemand für etwas anderes als für lesbisch hielt. Die deutsche Kapitänin Nadine Angerer hatte ein überaus zögerliches Coming-out, das zunächst als „bisexuell“ verkauft wurde und erst jetzt, nach Erscheinen ihrer Autobiografie, etwas relativiert wurde. US-Überspielerin Abby Wambach ist wohl alles, was man sich unter einer fußballspielenden Butch-Lesbe vorstellt, zudem die beste und bekannteste Spielerin ihres Landes. Dennoch nahm sie das L-Wort nie in den Mund, machte aber ein Statement das niemanden überraschte, indem sie ihre Freundin heiratete. Immerhin.
Wo sich immer wieder zu Recht über die mangelnde Sichtbarkeit von Lesben beklagt wird, wäre doch gerade eine Domäne wie Fußball, in der Lesben allgegenwärtig und vor allem erfolgreich und zudem öffentlichkeitswirksam agieren, eine tolle Gelegenheit – gern auch nur nebenbei – das Lesbischsein der Protagonistinnen positiv hervorzuheben. Stattdessen wird jede heterosexuelle Spielerin gern mit Freund oder Mann gezeigt, während die Lesben die Frauen ohne Privatleben bleiben. Auch wenn in den letzten Jahren einige Spielerinnen, vor allem in den USA, England und Schweden ihr öffentliches Coming-out hatten, bleibt das L-Wort doch auf geradezu lächerliche Weise unerwähnt, bedenkt man, wie viele Lesben involviert sind. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Schweden: Das Frauen-Nationalteam wird von der wahren Vorzeigelesbe und Fußballheldin Pia Sundhage trainiert. In den Reihen der Spielerinnen findet sich mit Nilla Fischer eine, die absolut dazu steht, dass sie lesbisch ist und aussieht. Sie ist nicht nur eine der besten Abwehrspielerinnen der Welt, jüngst mit dem VfL Wolfsburg Pokalsiegerin, sie findet neben allem Fußball sehr wohl Zeit, sich für LGBTI-Rechte einzusetzen und zum Beispiel Botschafterin der EuroGames 2015 zu werden. Warum also schauen sich die Deutschen hier nicht ein bisschen lesbischen Stolz von den Schwedinnen ab? Dann geht's vielleicht auch mit dem Fußball besser!
Manuela Kay

Manuela Kay @ Guido Woller
Beyond (B)orders – Grenzen im und mit Frauen*-Fußball überwinden, Podiumsdiskussion mit SIEGESSÄULE- und L-MAG-Verlegerin Gudrun Fertig, Nina Degele, Tanja Walther-Ahrens u. a., 04.06., 18:00, Friedrich-Ebert-Stiftung
Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen 2015 in Kanada, vom 06. Juni bis zum 05. Juli