Große Anfrage an die Bundesregierung

Zwangs-OPs, Konversionstherapien: Keine Entschädigungen in Aussicht

13. Apr. 2021 as, fs
Bild: Sally B.

Zwangssterilisationen, medizinisch unsinnige OPs, „Konversionsversuche“: Verschiedene LGBTI*-Gruppen haben sich in den letzten Jahren dafür stark gemacht, für erlebtes Unrecht entschädigt zu werden. Dass diese Forderung umgesetzt wird, damit ist wohl aber nicht so bald zu rechnen, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Grünen zur Situation von LGBTI* hervorgeht

Die Anfrage zur sozialen und gesundheitlichen Situation von LGBTI* hatten die Grünen Anfang letzten Jahres gestellt mit dem Ziel, das Thema erstmals im großen Umfang im Bundestag sichtbar zu machen. Über 200 Fragen zu u. a. psychischer Gesundheit, Mehrfachdiskriminierung oder Altersarmut waren in Zusammenarbeit mit queeren Verbänden und Beratungsstellen erarbeitet worden (Siegessäule berichtete).

Bundesregierung sieht „keine diskriminierenden Regelungen“

In ihrer nun über ein Jahr später veröffentlichten Antwort behauptete die Bundesregierung, dass ihr keine diskriminierenden Regelungen gegen LGBTI* im deutschen Recht bekannt seien. Bei dem nach wie vor geltenden und zum Teil verfassungswidrigen „Transsexuellengesetz“ verwies sie lediglich darauf, dass der Meinungsbildungsprozess zu einer möglichen Reform „innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen“ sei.

Auch strebe die Regierungskoalition derzeit keinen Entschädigungsfonds für trans* Personen an, die sich noch bis 2011 sterilisieren lassen mussten, um ihren falschen Geschlechtseintrag nach dem „Transsexuellengesetz“ ändern zu lassen. Ebenso wenig seien Entschädigungsfonds für LGBTI* geplant, die „Konversionstherapien“ über sich ergehen lassen mussten, oder für inter* Personen, die im Kindesalter unnötig operiert wurden, obwohl es dazu keine medizinische Indikation gab, und die oft ein Leben lang unter den Folgen dieser OPs leiden.

Grüne: „Queerpolitischer Totalausfall“

Ein Thema der Großen Anfrage der Grünen war auch das spezielle Armutsrisiko von LGBTI*. In ihrer Antwort zitiert die Bundesregierung die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ( BMFSFJ ) geförderte Langzeitstudie Deutsche Alterssurvey (DEAS) von 2017: Daraus geht u. a. hervor, dass die „Armutsquote bei Männern mit homo- oder bisexueller Orientierung im Alter von 60 bis 90 Jahren um sechs Prozentpunkte höher als bei Männern dieser Altersgruppe mit heterosexueller Orientierung (12 Prozent zu 6 Prozent)“ liege. Bei Frauen mit homo- oder bisexueller Orientierung im Alter von 60 bis 90 Jahren sei sie um drei Prozentpunkte höher als bei Frauen dieser Altersgruppe mit heterosexueller Orientierung (11 Prozent zu 8 Prozent). Zu trans* Personen gebe es diesbezüglich keine validen Daten.

Zur Frage nach Diskriminierung von trans* und inter* Personen bei der privaten Krankenversicherung beteuerte die Bundesregierung hingegen, dazu habe man schlicht keine Erkenntnisse. Auch z. B. beim Thema Wohnungslosigkeit von queeren Jugendlichen lägen kaum Daten vor.

Die Grüne Bundestagsfraktion kritisierte entsprechend das augenscheinliche Unwissen der Bundesregierung in Bezug auf LGBTI*. Die Koalition beweise mit ihrer Antwort, dass sie über so gut wie keine eigenen wissenschaftlichen Daten, und „damit auch über keine strukturellen Erkenntnisse zur gesundheitlichen und sozialen Situation von LGBTI speziell in Deutschland“ verfüge.

Sven Lehmann, Sprecher für Queerpolitik der grünen Bundestagsfraktion, betonte in einer heute veröffentlichten Pressemitteilung, die Antworten der Bundesregierung zeigten vor allem ihr „Desinteresse“ am Thema Queerpolitik. „Die aktuelle Bundesregierung ist queerpolitisch ein Totalausfall. Trotz bekannter, eindeutiger Hinweise und einer Vielzahl von internationalen Studien zur schlechten gesundheitlichen und sozialen Situation von LSBTI, verursacht durch dauerhafte Erfahrungen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Bevormundung, reagiert sie nicht. Sie weiß quasi nichts über die Lage der LSBTI in Deutschland, sie interessiert sich nicht dafür und sie tut dementsprechend auch nichts, um diese desolate Situation zu verbessern.“ LGBTI*-Rechte setze die Bundesregierung nur widerwillig um, und auch nur dann, wenn sie durch die Gerichte dazu gezwungen werde – wie zuletzt beim dritten Geschlechtseintrag „divers“.

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