Wir sind nicht nur Opfer
Michaela Dudley kommentiert den Internationalen Tag für die Sichtbarkeit von trans* Personen
Heute am 31. März 2021 begehen wir den International Transgender Day of Visibility. Bereits 2009 wurde dieser Tag eingeführt, und zwar auf Anregung der US-Trans*aktivistin Rachel Crandall aus Michigan. Neben dem jährlich im November stattfindenden Gedenktag für die Opfer transphober Gewalt (Transgender Day of Remembrance) bietet der heutige Tag die Gelegenheit, uns feiern zu lassen – während wir weiterhin auf Sensibilisierung setzen, um auf die Diskriminierung hinzuweisen, die uns tagtäglich begegnet.
Doch wir verlesen heute nicht die ellenlange Liste unserer Toten, wie wir es im November mit flackernden Kerzen im Herbstwind tun. Stattdessen leben wir auf, der Frühlingssonne zugewandt. Mit Masken hoffentlich, aber nicht (dahinter) versteckt. Denn wir sind nicht nur Opfer. Und wir lehnen es ab, als Täter*innen herzuhalten, nur weil Krimiautor*innen – ob in ihren Romanen oder in ihren Drehbüchern für Sonntagabend-TV-Formate – eher auf Stereotypisierung statt auf Sensibilisierung setzen. Wir sind vielmehr Tatkräftige, und so wollen wir auch gesehen werden.
Geltungsdrang? Durchaus. Im Grunde genommen ist der International Transgender Day of Visibility eine Reaktion auf die mangelnde Anerkennung, die wir trans* Personen bis heute erfahren. Und dies gilt nicht nur in der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft. Auch innerhalb der Regenbogen-Community selbst werden wir immer wieder von Wolken überschattet oder einfach ausgeblendet. Fakt ist, wir sind weitaus mehr als irgendeine Zutat in dem sperrig wirkenden Buchstabensalat LGBTQAI*. Die Schwarze Aktivistin Marsha P. Johnson, die 1969 gewissermaßen den ersten Stein von Stonewall geworfen hat, war eine trans* Frau, obwohl diese Bezeichnung damals kaum gängig war. Es war Marsha, die mit ihren Pumps die moderne Gay-Rights-Bewegung aus dem Boden stampfte, als der Begriff „Intersektionalität“ noch nicht einmal in den Kinderschuhen steckte. Trotzdem wurde sie von der eigenen Bewegung marginalisiert, ignoriert und lange vergessen. Wenn eine derartige Schmähung selbst innerhalb der LGBTI*-Community geschieht, sollte es nicht wundern, dass Teile des Heteromainstreams trans* Personen immer noch als sexualisierte Exot*innen, „unterhaltende Ulknudeln“ oder „psychisch gestört“ abstempeln.
Indem wir sichtbarer werden, zeigen wir, dass wir auch facettenreich sind. Wir räumen mit Vorurteilen auf, wir sprengen den Rahmen der Binarität und bieten unsern Brüdern* und Schwestern*, die ihr Coming-out vielleicht gerade erst erwägen, bunte Perspektiven.
Gleichwohl befinden wir uns nach wie vor inmitten eines Marathonlaufs mit Hindernissen. Der Populismus greift um sich, und frei lebende Menschen wie wir sind nicht minder exponiert. Demütigungen, Diskriminierung und Gewalt gegen uns nehmen alle zu. Und Transphobie droht, weiter bestehen zu bleiben, wenn wir unseren Stolz und unsere Sichtbarkeit auf wenige Tage im Kalenderjahr beschränken.
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