Kommentar zum neuen Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Herzlich willkommen!?

6. Okt. 2021 Christoph R. Alms
Bild: University of Maryland

Zehn Jahre lang war Jörg Litwinschuh-Barthel Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die er maßgeblich mit aufbaute. Nun wurde mit dem Wissenschaftler Dr. Gero Bauer sein Nachfolger gewählt – und die sonst so diskussionsfreudige Community ist seltsam leise. Wurden Erwartungen enttäuscht? Christoph R. Alms kommentiert

Dürfen wir vorstellen? Dr. Gero Bauer, neuer Geschäftsführer der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld – und somit Nachfolger von Jörg Litwinschuh-Barthel, der sich laut Pressemitteilung des verantwortlichen Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz nach zehn Jahren Amtstätigkeit „neuen Herausforderungen” stellen möchte.

Obwohl es sich bei der neu besetzten Stelle des Geschäftsführers der bundesweiten LGBTIQ*-Stiftung um eine der wohl prestigeträchtigsten Positionen im queeren hauptamtlichen Bereich handelt, kommt der Neubesetzung aktuell jedoch verhältnismäßig wenig, ja, zu wenig Aufmerksamkeit zu. Vereinzelte, eher höfliche Gratulationen über Social Media, einige eher skeptische Kommentare von Aktivist*innen bis hin zu offener, zugespitzter Kritik am Auswahlverfahren und an der Besetzung selbst – in der vielfältigen und sonst sehr diskussionsfreudigen LGBTIQ*-Welt allerdings insgesamt vor allem: Stille.

Im Zuge der von der maßgeblich verantwortlichen Bundesministerin Christine Lambrecht (SPD) durchgesetzten Neuausschreibung war der Neuanfang geradezu als „historische Zäsur” angekündigt worden. Sollte er nun nicht auch von mehrheitlich positiven Gefühlen, wie Vorfreude auf die Zusammenarbeit, oder zumindest von wohlwollender Neugier und Spannung begleitet sein?

„Offener Wettbewerb”?

Womöglich ist es noch zu früh und die erst vor knapp einer Woche durchgeführten Bundestagswahlen haben, zumindest aus queerpolitischer Perspektive, einen faden Beigeschmack hinterlassen. Vielleicht ist es noch ein vorsichtiges Abwägen, ein Beschnuppern des Neuen, den man noch nicht überall in der queeren Bundesrepublik zu kennen scheint – mit dem ja aber auch perspektivisch gut zusammengearbeitet werden soll.

Oder zeigen sich vielleicht sogar Resignation und Erschöpfung bei der sonst so interessierten queeren Öffentlichkeit? Immerhin wurde die Neubesetzung ja damit begründet, nach knapp 10 Jahren Amtszeit von Litwinschuh-Barthel neuen Schwung in die Bundesstiftung bringen zu wollen.

Das Bewerbungsverfahren wurde von Lambrecht als „offener Wettbewerb” und somit zumindest indirekt auch als Chance für weibliche oder nicht-binäre sowie für nicht-cis*geschlechtliche Personen verkauft. Weitere zu oft nicht berücksichtigte Kategorien wie ein „Migrationshintergrund”, die Herkunft aus dem Osten oder Westen der Bundesrepublik oder eine Behinderung sollten offenbar ebenfalls größere Berücksichtigung beim anspruchsvollen Auswahlverfahren finden.

Dennoch: volle Unterstützung für den Neuen

Am Ende folgte dann aber gerade wegen dieser teilweise absurd hoch gegriffenen Vorstellungen die Ernüchterung: Ja, jünger als Litwinschuh-Barthel, ferner eine beeindruckende wissenschaftliche Publikationsliste und Karriere. Doch eben auch wieder: weiß, männlich, cis*.

Beinahe dankbar muss trotz derartiger Motive festgehalten werden: Immerhin einer von uns. Es hätte auch schlimmer kommen können.

Als neuer Geschäftsführer der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld hat Gero Bauer volle Unterstützung verdient. Nicht nur, um die großen Fußstapfen seines Vorgängers Jörg Litwinschuh-Barthel auszufüllen, sondern um unter Einbeziehung der vielfältigen LGBTIQ*-Communities womöglich neue Spuren im Einsatz für Mitbestimmung und Gleichberechtigung zu hinterlassen.

Nur so kann perspektivisch dazu beigetragen werden, dass LGBTIQ*-Rechte in allen politischen Ebenen nicht wieder und wieder bloße Verhandlungsmasse werden, sondern als Selbstverständlichkeit angemessen mitgedacht werden; nicht zuletzt auch bei der Besetzung von Personalstellen.

Bild: Sally B.
LGBTIQ*-Aktivist Christoph R. Alms

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