Wie sieht eine geschlechtsneutrale Grammatik ohne Sonderzeichen aus?
Anders als im Englischen ist es in der deutschen Sprache recht umständlich, gendergerecht zu schreiben. Der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch e. V. möchte das ändern und hat eine inklusive Grammatik ausgetüftelt, die ohne Genderstern und Co. auskommt. Wir sprachen darüber mit den Gründer*innen Averyn Hiell und Marcos Cramer
Sprache, so heißt es, sei ein Spiegel der Gesellschaft. Daher verwundert es nicht, dass nicht binäre Personen kaum darin vorkommen. „Es sollte ein Menschenrecht sein, über nicht binäre Personen sprechen zu können“, findet Averyn Hiell. Zusammen mit Marcos Cramer ist Hiell als Vorstand im Verein für geschlechtsneutrales Deutsch tätig. Beide haben einen sprachwissenschaftlichen Hintergrund und lernten sich Ende 2020 über eine Facebook-Gruppe kennen. Getrieben von dem Wunsch, die deutsche Sprache inklusiver zu machen, gründeten sie 2021 ihren Verein.
Der LGBTIQ*- und der Frauenbewegung ist es zu verdanken, dass Alternativen zum generischen Maskulinum wie Schreibweisen mit Unterstrich oder Genderstern so bekannt geworden sind. Cramer und Hiell begrüßen es, wenn Menschen das Sternchen sogar als Glottisschlag, also als kurze Pause, aussprechen. Sonderzeichen sehen sie aber eher als Übergangslösung.
Das grammatische Geschlecht „Inklusivum“
In ihrer Arbeit erforschen sie, wie eine inklusive Grammatik aussehen könnte, die ohne Sonderzeichen auskommt. Ihr Vorschlag heißt „De-e-System“. Zugrunde liegt ein neues grammatisches Geschlecht, das Inklusivum, in dem die Substantive auf -e oder -re enden. Ein neutrales Pronomen hat die Grundform en.
Ein Beispiel ist „de gute Arzte“ anstatt „die*der gute Ärzt*in“. Im ganzen Satz: „Ich fragte en, ob en mir ein gute Arzte empfehlen kann.“
Nicht binäre Personen sollen natürlich selbst ihr Pronomen bestimmen. „Wir halten es aber für nützlich, dass ein geschlechtsneutrales Pronomen so bekannt wird, dass man es nicht mehr erklären muss”, so Cramer. Das erinnert an „they“ im Singular, das sich allmählich im Englischen durchsetzt.
„Wir halten es für nützlich, dass ein geschlechtsneutrales Pronomen so bekannt wird, dass man es nicht mehr erklären muss.”
Mit Blick auf Debatten um den angeblichen „Zwang zum Gendern” betonen die beiden, dass ihr System nicht als Vorschrift, sondern als Angebot gemeint ist. Sie wünschen sich einen Konsens, der in den natürlichen Sprachgebrauch übergeht.
Der Verein mit Sitz in Dresden agiert vor allem online, somit können auch Berliner*innen problemlos mitmachen. Auf Plattformen wie Discord diskutieren Interessierte ihre linguistischen Ideen. Der Verein organisiert Workshops und zweimal pro Quartal einen Online-Stammtisch. Auf seiner Website ist außerdem ein „De-e-Automat“ eingerichtet, ein Programm (in der Betaphase), das Sätze ins Inklusivum überträgt. Aktuell arbeitet der Verein vor allem daran, das „De-e-System“ bekannter zu machen.
Verein für geschlechtsneutrales Deutsch
geschlechtsneutral.net
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