Wie geht feministisch Streiten?
Wie können linke, queere und feministische Bewegungen trotz interner Differenzen zusammenstehen? Eine Frage, die in Zeiten des Rechtsrucks dringlicher denn je scheint. Die Kritik am Autoritarismus kann eine Basis für eine solidarische Streitkultur sein, argumentiert Koschka Linkerhand
´Keine Spaltung!` ist ein Ruf, den die Linke, je schlechter es ihr geht, umso häufiger ausstößt. Zuletzt habe ich ihn am Wahlabend gehört, als das desaströse Ergebnis der sächsischen und der thüringischen Landtagswahl bekannt wurde (das drei Wochen später in Brandenburg nicht viel besser ausfiel). Wir standen auf einer antifaschistischen Kundgebung in der Innenstadt. Zur Empörung darüber, dass ein Drittel unserer wahlberechtigten Mitmenschen für Nazis gestimmt hatte, kam der Ärger über andere Linke, die die Veranstaltung mit Hammer-und-Sichel-Fahnen und ellenlangen Palästina-Solidarisierungen zu dominieren versuchten. Leute, die sich dagegen wandten, wurden von Ordner*innen mit roten Halstüchern umringt. Es lag in der Luft: Wenn diese autoritären Kommunist*innen die Deutungshoheit erringen, haben lose organisierte Linke, die mit Freund*innen, Fahrrädern und Bierflaschen auf Demos gehen, künftig nix mehr zu melden. Und das im Angesicht eines Wahlsiegs von AfD, CDU und BSW, denen Frauen- und LGBTIQ*-Rechte fast so zuwider sind wie Migration.
Was macht man damit? Jede Spaltung von sich zu weisen, scheint mir unmöglich in einer Zeit, da linker Antizionismus und K-Gruppen-Mentalität jedes feministische und queerpolitische Anliegen zu überlagern drohen. Die Geschichte zeigt, dass Linke nicht davor gefeit sind, einander zu instrumentalisieren und zu terrorisieren. Auf der Kundgebung erinnerte meine Freundin an den spanischen Bürgerkrieg, als Sozialrevolutionär*innen von Stalinist*innen ermordet wurden, weil sie nicht auf der Moskauer Linie waren – während der Franco-Faschismus vor der Tür stand.
Produktiv Streiten statt Schuldzuweisungen
So weit wird es hoffentlich nicht kommen. In der jetzigen brenzligen Situation gilt es, Bündnis- und Vermittlungsfähigkeit zu kultivieren, also produktiven Streit: klar und deutlich Gemeinsames, aber auch Differenzen zu benennen – zum Beispiel auf den Dyke* Marches und danach Widerspruch zu formulieren: Was hat Palästina Solidarität (die man durchaus ernsthaft diskutieren sollte) auf einer Demo für lesbische Sichtbarkeit zu suchen? Werden Bezüge zu palästinensischen und israelischen Queers hergestellt? Oder dient die Veranstaltung nur als Anlass, um möglichst viele linke Strukturen mit einem bestimmten Anliegen zu dominieren?
Spätestens nach den Wahlen in Ostdeutschland steht eine undogmatische und eher pluralistische Linke vor der Aufgabe, ihre Strukturen zu überprüfen: Tragen sie noch? Wie können wir sie handlungs- und widerstandsfähig gestalten, mit klaren Grundsätzen, ohne dabei selbst ins Autoritäre zu verfallen?
Einerseits braucht es eine – notfalls zähneknirschende – Offenheit dafür, basisdemokratisch miteinander zu arbeiten und eine gewisse Toleranz für verschiedene Weltanschauungen, Organisationsweisen und Jargons aufzubringen. Antifaschistische Bündnisse können gar nicht breit genug sein. Sie müssen nicht auf Sympathie und Sich-miteinander-Wohlfühlen gebaut werden. Neben der Besinnung auf Antifaschismus als kleinstem gemeinsamen Nenner sind Pragmatismus, Arbeitsteilung und die Aufteilung in Demoblöcke vermutlich von Nutzen. Andererseits: Um trotz großer Differenzen gemeinsam „Alerta, Antifascista“ zu rufen, muss man wissen, was man selbst von der Linken will, und diese Vorstellung auch innerhalb von Bündnissen verteidigen. Ich bin nicht Antifaschistin geworden, um mich irgendeinem Kollektiv zu unterwerfen – sondern um als Frau, Lesbe, Intellektuelle frei und lustvoll leben zu können, zusammen mit anderen Menschen, die auch etwas jenseits von Lohnarbeit und Kleinfamilie wollen. Wie wollen wir die Verhältnisse grundlegend verändern, wenn wir nicht bereit sind, uns selbst zu verändern, auszuprobieren, was werden soll? Inwiefern das gelingt, ist, nun ja, eine komplexe Frage. Aber eine linke Debatte und Praxis, die auf ein freies Leben zielt, ist dabei unverzichtbar.
Kritik am Autoritarismus
Der Autoritarismus, der in vielen linken Strömungen genauso um sich greift wie in der Rechten, in den Resten der bürgerlichen Mitte sowie im religiösen Fundamentalismus, steht dem konträr entgegen. Er erlaubt kein Hadern, keine Weichheit, kein Schmunzeln und keine Selbstironie. Er duldet keine Art von Kollektivierung, die die Einzelnen auch in ihrer Uneindeutigkeit, ihrem Fehlgehen am eigenen Anspruch gelten lässt.
Wie kann man im Zweifel für den Zweifel sein und dennoch stark gegen Nazis und autoritäre Tendenzen in der Linken?
Wie kann man – mit Tocotronic gesprochen – im Zweifel für den Zweifel sein und dennoch stark gegen Nazis und autoritäre Tendenzen in der Linken? Die marxistische Feministin Silvia Federici schrieb einmal: „Entweder ist unsere Politik befreiend, lässt uns wachsen, bereitet uns Freude, oder mit ihr stimmt etwas nicht.“ Gerade Frauen- und Homosexuellenbewegungen haben häufig diesen Anspruch der „freudvollen Militanz“ gelebt. Ich meine, auch in pragmatischen linken Bündnissen kann er ein wichtiger Gradmesser sein. Insofern ist die Kritik am Autoritarismus ein gutes Spaltmittel, mit wem sich die Zusammenarbeit lohnt. Wir brauchen eine queere Linke, die Stärke nicht aus Härte ableitet, sondern aus dem Ziel eines schönen, selbstbestimmten Lebens für alle.
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