Fetisch

Wie FLINTA*-freundlich ist Folsom?

12. Sept. 2024 Lara Hansen
Bild: Toni Karat
Ein Porträt von Kitty Hawk bei dem Foto Pop-up auf der FOLSOM

Folsom zieht jährlich über 20.000 Lederliebhaber*innen und Kink-Connaisseure nach Berlin. Wer mitspielen darf, ist bei dem traditionell cis-schwulen Straßenfest eine Frage der Auslegung. Seitens der Veranstaltung sind FLINTA* ausdrücklich erwünscht, doch das Angebot ist eher dünn. SIEGESSÄULE-Redakteur*in Lara Hansen sprach mit Akteur*innen der Szene

„Folsom war schon immer eine cis-männliche Tradition“, so Filmemacher*in und Fotograf*in Toni Karat. „Ich gehe seit Jahren hin und hatte auch immer mal wieder ein gutes Passing. Aber wenn die rausgefunden haben, dass man kein Typ ist, wurde man schnell auch mal ‚versehentlich‘ angerempelt“, sagt Karat gegenüber SIEGESSÄULE über deren Erfahrung als nicht binäre Lesbe auf dem Fest. Gegen die Unsichtbarkeit auf dem Straßenfest ergriff Karat im vergangenen Jahr zusammen mit Marga van den Meydenberg die Initiative und stellte einen hedonistischen FLINTA*-Fotostand auf die Beine. Aus der Aktion entstanden vielseitige Portraits. Auch dieses Jahr führt van den Meydenberg den Foto-Pop-up weiter. Daneben wird es im Rahmen von Folsom noch eine BDSM-Playparty für FLINT* von Honey & Spice im Quälgeist geben, sowie Femme Fatalities im Böse Buben – ein Tropfen auf dem heißen Stein in Angesicht des üppigen Fetisch-Angebots für schwule cis Männer.

Bild: Toni Karat
Filmemacher*in und Fotograf*in Toni Karat
„Folsom war schon immer eine cis-männliche Tradition.“

Das Orga-Team des Folsom betont, dass ihnen mehr lesbische Repräsentation am Herzen liege. „Wir und ich im Besonderen versuchen seit Jahren diverser zu werden. Ein wenig weg von 90 Prozent schwuler weißer Mann“, schreibt Folsom-Koordinator*in Mataina der SIEGESSÄULE per E-Mail. „Seit vielen Jahre kontaktiere ich in erster Linie lesbische Fetisch-Vertreter*innen, doch das ist ein unglaublich schwieriges Unterfangen. Es gibt zwar eine lesbische Fetisch-Szene in Berlin, doch zu einer dauerhaften Mitarbeit konnten sie sich bislang nicht durchringen.“

Als Mataina vor zehn Jahren bei Folsom anfing, habe es noch den beliebten McHurt-Sex-Toy-Stand unter der Leitung von Pia Nissen gegeben. Es sei die lesbische Anlaufstelle schlechthin gewesen, mit einem zusätzlichen „Socializing Space“. Doch seit der Pandemie habe Nissen den Stand aufgegeben und niemand anders den Platz eingenommen. „Dabei bekämen Interessierte bei uns sehr gute Sonderkonditionen. Standflächenmiete umsonst, sogar die Bereitstellung von Pagoden auf unsere Kosten bieten wir an“, schreibt Mataina.

Frauen- und Transfeindlichkeit

Und tatsächlich: Kaum sei der Stand von McHurt weggewesen, seien auch viele FLINTA* nicht mehr gekommen, erinnert sich Karat. Das habe die sowieso schon dünngesäte Szene noch weiter geschrumpft. „Wenn du als FLINTA* alleine hingehst, bist du ein Einzelpunkt zwischen Tausenden. Gewollt sind wir seitens der Orga. Aber wer will schon die Erste sein?“ Dabei spielt laut Karat auch die binäre Gender-Sozialisierung eine große Rolle. „Sich als weiblich sozialisierte Person immer Raum erkämpfen zu müssen ist anstrengend. Einige sind sicherlich müde“, erklärt dey. Das sei nicht der einzige Grund, warum viele sich gar nicht erst hin trauen oder das Straßenfest vermeiden würden. „Von trans* Männern höre ich immer wieder, dass sie in der cis-schwulen Community nicht nur gute Erfahrungen gemacht haben. Interessanterweise wird Frauen- und Transfeindlichkeit in der schwulen Szene kaum öffentlich thematisiert,“ so Karat.

Jede*r, der den Dresscode beherrsche, komme rein, sagt Olaf Hartmannsgruber, Organisator der „Testosterone“-Partyreihe vom Male Space im Rahmen von Folsom. Und der Code ist? „Leder oder Rubber. Tom-of-Finland-Look.“ Auf Nachfrage heißt es, trans* Männer und auch andere Fetische seien willkommen, solange alles „nicht überhand nehme“. Was damit gemeint ist, bleibt vage formuliert. Das Kernklientel sei zugespitzt auf Lederschwule, das mache die Party nischenhaft. Leder-Outfits können allerdings mittlerweile die Hälfte vom durchschnittlichen Monatslohn kosten. „Unter 1000 kriegst du den Leder-Fit häufig nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass das manche ausschließt, die nicht das nötige Kleingeld haben“, so Karat.

Bild: Toni Karat
Ein Porträt von Anastasia Biefang bei dem Foto Pop-up auf der Folsom

„Es sind immer die gleichen Fetische und das Publikum wird immer älter. Ob sich Folsom reformieren und diverser aufstellen will, werden die Veranstalter*innen, bzw. die Szene selbst entscheiden“, sagt Karat. Auch wenn die BDSM-FLINTA*-Szene klein sei, sei die Nachfrage schließlich da. „Berlin ist sogar noch eine Hochburg. Da kommen ein paar Lesben aus London, weil dort oft noch weniger Szene ist“, erklärt Karat, „um dann bei Folsom mit 15 anderen FLINTA* abzuhängen und auf die Play Partys zu gehen.“

„Ob sich Folsom reformieren und diverser aufstellen will, werden die Veranstalter*innen, bzw. die Szene selbst entscheiden.“

Ein separates FLINTA* Folsom-Festival wäre eine Überlegung wert. Stellt sich nur wieder die Frage: Wer macht den ersten Schritt? Wenn es nach Karat gehe, liege das in den Händen der jüngeren Generation. Auf einem inklusiv Kink- und Fetisch-Event sollen Menschen neben Leder-Look aber auch im Paradiesstil aufkreuzen können, ohne ausgeschlossen zu werden.

FLINTA* Foto Pop-up bei Folsom Europe 2024
Drei Fotograf*innen werden Porträts von FLINTA* machen, um mehr Sichtbarkeit in der Comunity zu kreieren. Das Non-Profit-Projekt unterstützt mit Spenden die Arbeit der Fotograf*innen.
14.09., 12:00–22:00
Fuggerstrasse (Nähe Hausnr. 23), Schöneberg

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