Ab 12.12. im Kino

„Wicked“ – Wie queer ist die Musicaladaption mit Cynthia Erivo und Ariana Grande?

9. Dez. 2024 Tillmann Triest
Bild: UPI MEDIA
Cynthia Erivo in der Rolle der grünen Hexe des Westens

Das Broadway-Musical „Wicked“, die Geschichte der Hexen Elphaba und Glinda, wurde für die Leinwand adaptiert – mit denselben queeren Untertönen. Die Geschichte beeindruckt durch ihren Mix aus Magie, Freundschaft und Widerstand gegen ein unterdrückerisches Regime

„The Wizard of Oz“ genießt Kultstatus in den USA – nicht zuletzt wegen seiner Beliebtheit bei Queers (siehe S. 59 in der aktuellen SIEGESSÄULE). Das Musical „Wicked“ baut auf L. F. Baums Klassiker auf, indem die Story von Dorothy in größere Kontexte gesetzt wird und die grüne Hexe des Westens Elphaba (Erivo) und die gute Hexe des Nordens Glinda (Grande) ins Zentrum rücken. Universal hat hierfür Jon M. Chu mit der Regie beauftragt, der neben den beiden Superstars in den Hauptrollen auch Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh als ominöse Zauberlehrerin und Bridgerton-Darling Jonathan Bailey als hinreißenden Junggesellen Fiyero in Szene setzt. Der Film beginnt mit einem schwarzen Spitzhut in einer Pfütze, womit Chu die Fährten zum Garland-Streifen von 1939 legt und gleichzeitig auf das Schicksal der Protagonistin verweist.

Stephen Schwartz, Autor und Komponist des Musicals „Wicked“, das seit 2003 am Broadway läuft und 2007 bis 2011 sowie 2021/2022 auch in Deutschland zu sehen war, nutzt den Bekanntheitsgrad der Story, um das Wissen des Publikums auf den Kopf zu stellen. Elphaba, aufgrund ihrer grünen Hautfarbe Außenseiterin, und Glinda treffen erstmals in der Schule aufeinander und können sich zunächst nicht ausstehen. Zu Elphabas Entsetzen erzählt ihr Lehrer, ein Ziegenbock, dass die Tiere verfolgt und ihre Sprache und Kultur ausradiert werden soll – im wahrsten Sinn des Wortes sollen sie zurück „into the closet“. Elphaba ist entsetzt und will dagegen kämpfen. Sie schafft es, Glinda und schließlich auch Fiyero zu überzeugen, dass Widerstand nötig ist gegen die faschistischen Tendenzen, die sie hinter dem Regime des vermeintlich liebenswerten Zauberers von Oz vermutet.

Als Elphaba ihre Zauberkünste entdeckt, wird sie vom Zauberer in die Smaragdstadt eingeladen. Dort kommt es dann zum Showdown. Elphaba wird zur Staatsfeindin Nr. 1 erklärt und schwingt sich zum Schluss des 1. Akts des Bühnenmusicals – so wie nun im Finale des ersten Teils der Filmadaption – empor, um mit „Defying Gravity“ eine der überwältigendsten LGBTIQ*-Hymnen überhaupt zu singen.

Starke Frauenfiguren im Zentrum

Dass Erivo selbst Schwarz ist und sich als bisexuell identifiziert, verleiht ihrer ohnehin komplexen Rolle zusätzliche Tiefe. Musicalexpertin Stacy Wolf beschreibt in ihrem Buch „Changed for Good - A Feminist History of the Broadway Musical“, dass in „Wicked“ Praktiken des „Othering“, Verfolgung von Minderheiten und Propaganda mit Diversität, Feminismus und Ich-Werdung begegnet werden. Vor allem geht es zentral um starke Frauen! Was Salman Rushdie 1992 über das Garland-Original schrieb, gilt auch für Chus Opus: „The power of men ... is illusory; the power of women is real.“ Stacy Wolf betont das Besondere an dem Musicalgenre: Während in „Wicked“ der gesprochene Text eine politische Geschichte erzählt, entfacht die Musik codiert eine romantische zwischen den Frauen. Schon in ihrem ersten Duett „What is this feeling“ wird dies deutlich. Sie singen zuerst von einem komischen Gefühl, dann von Abscheu, harmonieren aber musikalisch stets perfekt. Und es mag kein Zufall sein, dass das vielfach gesungene „Loathing“ fast wie „Loving“ klingt.

„Während in „Wicked“ der gesprochene Text eine politische Geschichte erzählt, entfacht die Musik codiert eine romantische zwischen den Frauen.“

Wie in den alten Golden Age Musicals treten sie zuerst als Streitende auf, bevor sie später zueinanderfinden – offen aber nur als beste Freundinnen. Es tritt zwar noch Fiyero in Erscheinung (spektakulär Jonathan Bailey!), der in „Dancing through Life“ geschlechtsunabhängig mit allen um sich herum flirtet, aber er ist musikalisch eher als Strohmann zwischen den beiden einzuordnen. „Ozians“ und Musicalfans werden daher den „Wicked“-Film lieben und können sich schon jetzt auf Teil 2 nächstes Jahr freuen!

Wicked,
USA 2024,
Regie: Jon M. Chu,
mit: Cynthia Erivo, Ariana Grande, Jonathan Bailey u.a.
Ab 12.12. im Kino

Wicked – The Soundtrack, als CD und Vinyl in diversen Packagings
thecircle.de

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