Was wird 2021 aus den großen Berliner Queer-Events?
Kein Land in Sicht: Unter Umständen können queere Berliner Events wie das Lesbisch-Schwule Stadtfest, die große CSD-Straßenparade oder Folsom auch im nächsten Jahr nicht stattfinden. Die tragenden Vereine kämpfen um ihr finanzielles Überleben. Wie brenzlich die Lage im Moment ist, hat Paula Balov geklärt
Abgesagte Veranstaltungen, fehlende Einnahmen und keine Planungssicherheit für 2021: Die queere Vereinswelt leidet unter der Corona-Krise. Ob 2021 die großen Berliner Queer-Events wie die Leder- und Fetisch-Woche zu Ostern, das Lesbisch-Schwule Stadtfest, der Pride des Berliner CSD e. V. oder Folsom stattfinden können, hängt nicht nur vom Pandemiegeschehen ab. Die Frage ist auch, ob die Vereine, die diese Veranstaltungen organisieren, bis dahin überleben können: Schon jetzt sind sie existenzbedroht und haben kaum oder keine Corona-Hilfen bekommen.
„Die Vereine Berlin Leder & Fetisch (BLF), Regenbogenfonds, CSD e. V. und Folsom Europe sitzen im selben Boot“, sagt Olaf Möller, Vorstand vom Regenbogenfonds. „Die Details mögen variieren, aber wir alle rutschen durch das Förderraster durch.“
Spendengelder reichen nicht aus
Im Fall von Folsom Europe heißt das konkret, dass der Verein keinen Anspruch auf Vereinshilfen hat, da ihm der gemeinnützige Status fehlt. Gleichzeitig erfüllt Folsom Europe aber nicht die Kriterien, um als Wirtschaftsunternehmen Hilfen zu erhalten. Da die Umsätze des Wochenendes an die Community zurückgehen, hat der Verein ebenso wenig die finanziellen Ressourcen, um Kredite aufzunehmen. „Wir wissen nicht, ob wir im nächsten Jahr noch existieren können“, teilt Alain Rappsilber von Folsom Europe mit. „Die Spendengelder reichen nicht aus, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.“
„Wir wissen nicht, ob wir im nächsten Jahr noch existieren können“
Die Lage der anderen Vereine ist ähnlich: Aktuell können sie fast nur die laufenden Kosten bezahlen. Beim Berliner CSD e. V. sorgen weitere Umbrüche für Unsicherheit: Im November verkündete der aktuelle Vorstand in einem Brief an die Vereinsmitglieder seinen Rücktritt. (SIEGESSÄULE berichtete: „Berliner CSD-Vorstand tritt zurück") Aufgrund eines Eigentümerwechsels musste der Verein außerdem die Räume in der Courbièrestraße aufgeben.
„50/50-Chance“ für das Lesbisch-Schwule Stadtfest 2021
Wie es um das queere Veranstaltungsjahr 2021 steht, kann keiner genau sagen: Der CSD-Vorstand befürchtet, dass es den CSD auch im nächsten Jahr nicht in „gewohnter und mehrheitlich gewünschter Form“ geben wird. Olaf Möller gibt dem Lesbisch-Schwulen Stadtfest eine „50/50-Chance“, abhängig vom Pandemiegeschehen und davon, ob es finanzielle Unterstützung geben und die kürzere Planungszeit ausreichen wird: Im Normalfall hätte die Organisation bereits im November begonnen. Folsom Europe geht aufgrund der finanziellen Lage nicht davon aus, 2021 mehr als eine digitale Alternative anbieten zu können.
Ein kleiner Lichtblick ist Easter Berlin: Da das Event nicht an einem zentralen Ort, sondern über die ganze Stadt verteilt stattfindet, sind Hygieneauflagen leichter umzusetzen. „Wenn wir uns in dieser Zeit nicht mehr im Lockdown befinden und die Mittel haben, dann wird Ostern 2021 stattfinden“, verspricht Tommy Schenz vom BLF.
Fehlt der politische Wille, die Community zu retten?
Allgemein vermissen die Vereine die Initiative der Berliner Politik. Seit Monaten führen sie Gespräche mit Vertreter*innen aus dem Berliner Senat. „Finanzielle Unterstützung gibt es noch immer nicht und ist auch nicht in Sicht“, erklärt der CSD-Vorstand. Die Sorge ist, dass der politische Wille fehlt, die Community zu retten. „Mit den Umsätzen vom Folsom-Wochenende legen sich die Wirte in Schöneberg ihren Winterspeck an“, erklärt Alain Rappsilber. „Ohne diese Mittel wird der ganze Schöneberger Kiez in Mitleidenschaft gezogen und bestimmte soziale Projekte bleiben auf der Strecke.“
„Mit den Umsätzen vom Folsom-Wochenende legen sich die Wirte in Schöneberg ihren Winterspeck an. Ohne diese Mittel wird der ganze Kiez in Mitleidenschaft gezogen.“
Die queeren Veranstaltungen sind politische Instrumente, um die LGBTI*-Community zusammenzubringen und Sichtbarkeit zu schaffen. Darüber hinaus stellen sie aber auch einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Trotz der Kritik ist Olaf Möller optimistisch, „dass der Berliner Senat eine Lösung finden wird“. In den Gesprächen seien einige Ideen aufgekommen: So könnten die Rahmenbedingungen für Vereinshilfen angepasst werden. Bislang sind das nur Ideen – konkrete Maßnahmen stehen aus. Und diese werden dringend benötigt: „Die Zeit des Schwatzens ist vorbei“, findet Alain Rappsilber: „Jetzt muss gehandelt werden.“
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