Was taugen HIV- und STI-Heimtests?
Heimtests sind eine bequeme Möglichkeit, sich zu Hause auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten zu testen. Bei den verschiedenen Selbsttests gibt es jedoch bedeutsame Unterschiede. Axel Schock hat sich genauer mit den aktuellen Angeboten befasst
Irgendwann trifft es fast jede*n einmal. Sex und Geschlechtskrankheiten sind leider ein unzertrennliches Duo. Und bei Menschen mit einem aktiven Sexleben und mehreren Sexpartner*innen sind die Chancen und Risiken, mit einem unliebsamen Virus oder Bakterium Bekanntschaft zu machen, entsprechend größer. Wenn‘s bei einem juckt, brennt oder tropft oder bei einem*einer Sexpartner*in gerade eine sexuell übertragbare Krankheit diagnostiziert wurde, empfiehlt sich auf jeden Fall eine ärztliche Untersuchung.
Die Deutsche Aids-Hilfe und die Kampagne ICH WEISS WAS ICH TU empfehlen Männern, die Sex mit Männern haben, darüber hinaus, sich auch ohne konkreten Anlass mindestens einmal jährlich auf HIV und Geschlechtskrankheiten testen zu lassen. Denn: je früher beispielsweise eine HIV- oder Syphilisinfektion erkannt und behandelt wird, umso besser können mögliche Langzeitfolgen verhindert werden. In Berlin ist das beispielsweise bei Einrichtungen wie der Berliner Aids-Hilfe, Mann-O-Meter und dem Checkpoint BLN und natürlich auch bei allen Hausarzt- und HIV-Schwerpunktpraxen möglich.
Der Test für Zuhause
Manche scheuen jedoch aus Scham oder Bequemlichkeit den Gang zum Test oder schieben ihn vor sich her. Für andere, etwa im ländlichen Raum, ist die Anfahrt bis zum nächsten Testangebot einfach zu weit. Alternativ kann man sich HIV- und STI-Tests seit einigen Jahren auch nach Hause schicken lassen. Vorreiter war hier das Angebot von s.a.m, ein Kooperationsprojekt, das von der Deutschen und der Münchener Aids-Hilfe mit mehreren Partnern entwickelt wurde. Mittlerweile ist das Angebot auf ganz Deutschland ausgeweitet.
Zu einem fixen Preis kommt per Post das Testset ins Haus. Damit können dann nach einer genauen Anleitung Blut- und Urinproben sowie Abstriche selbst entnommen werden und das Ganze geht dann wiederum per Post ins Labor. Wird keine Infektion festgestellt, erhalten die Nutzer*innen das Ergebnis per SMS. Gibt es einen positiven Befund, wird per SMS um Rückruf gebeten, um das Ergebnis und die nächsten Schritte zu besprechen. Ein Gespräch mit geschultem Personal steht bei s.a.m auch vor dem ersten Heimtest.
„Zum Angebot gehört eine individuelle Erstberatung durch Expert*innen für sexuelle Gesundheit – in jedem Fall durch Leute aus der sexpositiven Community“, erklärt Pia Müller, s.a.m-health-Projektmanagerin bei der Deutschen Aids-Hilfe, die das Angebot mittlerweile koordiniert. In einem telefonischen Gespräch oder nach Absprache auch vor Ort in einer der kooperierenden Einrichtungen beraten die Mitarbeitenden zum Beispiel darüber, wann ein Test sinnvoll ist, welche diagnostischen Fenster nach einem möglichen Infektionsrisiko beachtet werden müssen, und geben Tipps zur Probenentnahme.
Worauf getestet wird
Getestet wird auf die vier häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen, neben HIV auch auf Syphilis, Chlamydien und Gonorrhö (Tripper). „Neben HIV sind auch die regelmäßigen Checks auf diese Erreger sehr sinnvoll“, sagt DAH-Pressesprecher Holger Wicht, „sie sind leichter übertragbar als HIV, auch mit Kondom oder beim Oralverkehr, und man merkt nicht unbedingt, dass man sie hat – sie sind aber allesamt gut behandelbar!“
Neben s.a.m gibt es mittlerweile kommerzielle Heimtest-Anbieter. Cerascreen etwa lässt Syphilis und HIV außen vor und testet neben Tripper und Chlamydien auch auf Mykoplasmen und Ureaplasmen. Bakterien also, die im Normalfall nicht behandlungsbedürftig sind.
Selbst bei Chlamydien gibt es inzwischen Stimmen, die eine Behandlung (zumindest bei Männern) nicht für notwendig erachten, sofern es keine Symptome wie Ausfluss gibt. „Chlamydien wie auch Gonokokken, wenn sie asymptomatisch sind, verschwinden nach einigen Monaten wieder von selbst“, erklärt Christoph Weber, medizinischer Leiter des Checkpoints BLN.
Für ihn ist daher das Beratungsgespräch von großer Wichtigkeit, um zum Beispiel auch zu erklären, wann ein Test nach einem möglichen Infektionsrisiko z. B. für einen Tripper sinnvoll und aussagekräftig oder ob eine Behandlung notwendig ist. Denn eine Antibiotikatherapie zerstört auch Teile der wichtigen Bakterien im Darm. Und je häufiger Antibiotika zum Einsatz kommen, desto höher ist das Risiko, dass sich resistente Bakterien entwickeln und ausbreiten.
Neuer kommerzieller Anbieter
Bei Remi Health, einem noch recht neuen Anbieter eines STI-Heimtests, der sich auch explizit an eine queere Zielgruppe wendet, wird bei einem positiven Chlamydienbefund auf Wunsch gleich das Rezept für ein Antibiotikum nach Hause geschickt. Auf den ersten Blick erinnert das Webangebot des Potsdamer Unternehmens stark an s.a.m health. Auch hier müssen sich die Kund*innen online registrieren, bekommen das Testkit nach Hause geschickt und werden digital über das Ergebnis informiert.
Doch nicht nur auf die häufigsten vier STIs, sondern auch auf Hepatitis C wird hier getestet. Und geliefert wird, sobald die Zahlung eingegangen ist. Eine Vorabberatung gibt es nicht, im Falle eines positiven Befunds erfolgt auf Wunsch jedoch eine telefonische Konsultation. Mit wem, erfährt man bislang auf der Website allerdings nicht. Auch nicht, wer eigentlich hinter der Firma und dem Angebot steckt und wer die Laboruntersuchungen durchführt.
„Es gibt nichts zu verheimlichen“, versichert Anthony Bielenstein. Der Geschäftsführer, der zuvor bei einem Unternehmen für Beauty-Produkte tätig war, ist gemeinsam mit Marvin Abert und dem Berliner Arzt Dr. Marcus Thuma, Mitbegründer von Remi Health. Gemeinsam betreiben sie auch das eigens dafür gegründete Labor. Das ist, anders als jene Labore, die beispielsweise für s.a.m, für Arztpraxen oder den Checkpoint BLN tätig sind, nicht von der Deutschen Akkreditierungsstelle zertifiziert, es arbeite aber nach den strengen Richtlinien der Bundesärztekammer, wie Bielenstein erklärt.
Wer als Remi-Health-Nutzer*in nach einem positiven Testergebnis Beratung wünscht, werde dann telefonisch von Ärzt*innen aus dem Team von Thumas Kantpraxis in Charlottenburg beraten. Dass es bei Remi Health keine direkte Anbindung an bundesweite Hilfsorganisationen, Aids-Hilfen oder Beratungsstellen gibt und sexuelle Gesundheit bislang kein erkennbarer Schwerpunkt in den Biografien des Kantpraxis-Teams ist, überrascht dann vielleicht doch. Das bisherige Angebot aber, so erläutert es Bielenstein, sei erst der Anfang. Mittelfristig wolle man das Portal zu einer „digitalen Klinik für sexuale Gesundheit“ ausbauen und beispielsweise auch die PrEP und Verhütungsmittel anbieten.
Vor-Ort-Tests:
U. a. bei der Berliner Aids-Hilfe, Mann-O-Meter und dem Checkpoint BLN (HIV-, Syphilis- und Hepatitis C-Labor- bzw. Schnelltest gibt es zusammen für max. 15 Euro bzw. 25 Euro). Für Menschen mit wenig Geld ist der Test beim Checkpoint kostenlos.
s.a.m health:
Getestet wird auf HIV, Syphilis, Chlamydien, Gonorrhö. Kosten: 75 Euro für das erste Testkit, alle weiteren 59 Euro. Sozialtarif: 10 Euro.
Remi Health:
Getestet wird auf HIV, Hepatitis C, Chlamydien, Gonorrhö, Syphilis. Preis: 69 Euro.
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