Warum Kämpfe für Klima und Queers zusammen gehören
Für queere Klima-Aktivist*innen ist klar: Klima- und LGBTIQ*-Gerechtigkeit sind ohne einander nicht vorstellbar. Die queere Szene sollte das noch mehr mitdenken, fordern sie. Vor allem müsse sie sich gemeinsam mit der Klimabewegung gegen Rechtsextremismus in Stellung bringen
Wenn Fridays for Future diesen Freitag wieder zum globalen Klimastreik aufrufen, wird Daniela Zysk in Wiesbaden mit auf die Straße gehen. Mit 48 Jahren ist sie zwar schon etwas älter als die meisten Klimaaktivist*innen, allerdings auch deutlich erfahrener. Seit 30 Jahren engagiert sie sich als lesbische Aktivistin gegen Faschismus, für Klimaschutz, Tierbefreiung und LGBTIQ*-Rechte. 2018 hat sie Queers for Future gegründet, inzwischen ist sie vor allem im Rahmen von „The Vegan Rainbow Project“ für die Rechte von Tieren und queeren Menschen aktiv. „Für mich hängt das alles miteinander zusammen“, sagt Zysk gegenüber SIEGESSÄULE.
Eine wichtige Verbindung der Kämpfe für Klima- und LGBTIQ*-Gerechtigkeit sei die Tatsache, dass queere Menschen überdurchschnittlich stark von der Klimakatastrophe betroffen sind – und das nicht nur im globalen Süden. Der Artikel „Queer and present danger“ („Queere und gegenwärtige Gefahr“) dreier amerikanischer Wissenschaftler*innen aus dem Jahr 2021 untersucht dieses Phänomen in den USA. Dort heißt es: „Prozesse der Stigmatisierung, Gewalt und Diskriminierung gegenüber LGBTQ*-Gemeinschaften haben soziale Ungleichheiten geschaffen, die sich bei Katastrophen noch verschärfen können.“
Laut einer Befragung von trans Personen würden 29 Prozent von ihnen in Armut leben; die Quote sei doppelt so hoch wie die der Gesamtbevölkerung. Schwarze trans Menschen seien sogar zu 34 Prozent von extremer Armut betroffen, und rund 40 Prozent der obdachlosen Jugendlichen seien queer, weil sie häufiger von ihren Familien abgelehnt würden, listet der Artikel auf.
„Armut macht es weniger wahrscheinlich, dass sie über die Mittel verfügen, sich auf Katastrophen vorzubereiten.“
„Diese Armut macht es weniger wahrscheinlich, dass sie über die Mittel verfügen, sich auf Katastrophen vorzubereiten, beispielsweise durch den Abschluss einer Versicherung oder Investitionen in den Schutz vor Waldbränden.“ Vor allem im Bundesstaat Kalifornien sorge die Klimakrise für immer verheerendere Brände, die queere Menschen umso härter träfen. Auch weil sie von der Katastrophenhilfe und bei der Suche nach einer neuen Wohnung diskriminiert würden und im Alltag ohnehin schon mehr psychischen Belastungen ausgesetzt seien.
„Es gibt keine Pride auf einem toten Planeten.“
Das sei in Deutschland und selbst im vermeintlich LGBTIQ*-freundlichen Berlin nicht anders, berichtet Grasa Guevara von Movement Hub, einer Organisation für sozial-ökologischen Wandel, der SIEGESSÄULE. Bei der Wohnungssuche versuche die 33-jährige nonbinäre Dragqueen als cisgeschlechtlich durchzugehen – werde als argentinische Migrantin aber immer noch rassistisch diskriminiert. Wie soll das erst werden, wenn der Klimwandel mehr und mehr Teile des Planeten unbewohnbar macht und immer mehr Menschen nach Europa fliehen? „Auch queere Menschen brauchen einen Ort zum Leben, an dem nicht alles zerstört ist“, sagt Guevara. Ganz nach dem Motto: „There is no pride on a dead planet“ („Es gibt keine Pride auf einem toten Planeten.“).
„Klimagerechtigkeit heißt nicht nur, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, sondern vor allem ein Ende der Ausbeutung und Zerstörung ganzer Länder sowie eine Umverteilung der Ressourcen.“
Zysk sieht aber auch ideelle Schnittmengen zwischen queerer und Klimabewegung: „Beide hinterfragen patriarchale und hegemoniale Strukturen und fordern einen Systemwandel hin zu einer gerechteren und nachhaltigeren Welt.“ Grasa Guevara sieht das ähnlich: „Klimagerechtigkeit heißt nicht nur, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten, sondern vor allem ein Ende der Ausbeutung und Zerstörung ganzer Länder sowie eine Umverteilung der Ressourcen.“ Das schließe soziale und damit auch LGBTIQ*-Gerechtigkeit ein.
Andersherum sei es theoretisch genauso, in der Praxis sieht Zysk hier allerdings Nachholbedarf. Teile der queeren Szene würden sich mit einer Art „Regenbogenkapitalismus“ zufrieden geben, der die Welt nicht retten werde. Vielen seien CSD-Paraden mit Trucks, die nicht nur viel CO2 ausstoßen, sondern oft auch für wenig nachhaltige Konzerne werben, Fast-Fashion-Outfits, Glitzer, Konfetti und Verpflegung aus Einweggeschirr wichtiger als die Auswirkungen auf Klima und Umwelt, kritisiert Zysk.
Für Guevara zeigt sich darin eine Individualisierung von Kämpfen, die eigentlich zusammengehören: ob für Klima, Queers, Migrant*innen oder bezahlbare Mieten – zu Ende gedacht sollte es immer um gesamtgesellschaftliche Veränderungen gehen. LGBTIQ* sei daher kein ausschließlich identitätspolitisches Thema. Der Zugang dazu sei zwar häufig an die eigene Identität geknüpft, an das Bedürfnis, sich selbst mehr Sicherheit und Freiheit zu erkämpfen und einen Safer Space innerhalb einer Community zu schaffen. „Aber ich will mich ja nicht nur in einer Berliner ‚Blase‘ aufhalten, um sicher zu sein. Ich will mich auch in Brandenburg frei und gefahrlos bewegen können“, erklärt sie. Dann komme man sehr schnell darauf, dass LGBTIQ*-Gerechtigkeit auch Bildung, Gesundheit, Wohnungs- und Arbeitsmarkt umfasse.
Kampf gegen Hass und Hetze
Bei der Klimakrise sei der Weg genau umgekehrt, von der gesamtgesellschaftlichen hin zur individuellen Perspektive. Zuerst sehe man eine abstrakte Gefährdung des Planeten. „Und dann merkt man: Oh, ich bin auch betroffen“, so Guevara. Zusammenarbeiten sollten Queers und Klimaaktivist*innen aber noch aus einem anderen Grund: Genau wie BIPoC’s und Migrant*innen sind sie immer mehr Angriffen, Hass und Hetze von Rechtsextremen und der AfD ausgesetzt. Sollte letztere irgendwann an einer Regierung beteiligt sein, könne man sich wahrscheinlich von vielen Minderheitenrechten wie auch vom Klimaschutz verabschieden, befürchtet Zysk.
„In diesen Tagen greifen rechte Kräfte Klimaschutz gezielt an und die Konservativen machen sich zu ihren Nachahmern.“
Also gelte es, eine gemeinsame Antwort darauf zu finden und Rechtsextremismus mit vereinten Kräften zu bekämpfen, appelliert Grasa Guevara. Sie versuche das durch ihre Arbeit bei Movement Hub sowie der Initiative „Bloque Lantinomericano“; auch das Bündnis Ende Gelände mache diesbezüglich gute Arbeit.
Bei Fridays for Future sieht man das genauso: „In diesen Tagen greifen rechte Kräfte Klimaschutz gezielt an und die Konservativen machen sich zu ihren Nachahmern – jede und jeder einzelne von uns ist gefragt, sich dem entgegenzustellen“, heißt es im Aufruf zum Klimastreik am 20. September.
Globaler Klimastreik
20. September 2024
Start: 12:00, Forum vor dem Kanzleramt
fridaysforfuture.de
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#Queers For Future#Klima#Klimakrise#Klimastreik#Fridays For Future