Wahlen in Polen – leise Hoffnung für LGBTIQ*?
„LGBT-freie“ Zonen, Hasspropaganda, rechtsextreme Übergriffe – die queere Community in Polen kämpft seit acht Jahren gegen eine rechtspopulistisch Regierung. Die Parlamentswahlen diesen Sonntag am 15. Oktober bringen wenig Aussicht auf Verbesserung
Als die rechtskonservative PiS-Partei nach dem Wahlsieg im Oktober 2015 die Alleinregierung in Polen übernahm, ahnte man, dass eine dunkle Zeit bevorstand. Doch nicht, wie dramatisch es tatsächlich kommen sollte. Nach nunmehr fast acht Jahren PiS-Regierung ist von einer Gewaltenteilung kaum noch etwas übrig, queerfeindliche Übergriffe haben zugenommen und das Land ist übersät von sogenannten LGBT-freien Zonen. Denn auf der fieberhaften Suche nach Feindbildern hat es die PiS in dem erzkatholisch geprägten Land auf all diejenigen abgesehen, die nicht in das patriarchal-christliche Bild einer weißen Kleinfamilie passen.
Doch bei der Wahl am 15. Oktober muss die PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość, deutsch: Recht und Gerechtigkeit) um ihre Mehrheit bangen. Laut aktueller Umfragen des Instituts Ibris liegt sie bei etwa 33 Prozent, womit sie die absolute Mehrheit verpassen würde. Die Koalicja Obywatelska (KO), die liberal-konservative Bürgerkoalition, könnte auf 26 Prozent kommen. Die Oppositionspartei von Donald Tusk, dem ehemaligen EU-Ratspräsidenten, verspricht eine Wiederherstellung der Demokratie und hat eingetragene Lebenspartnerschaften, unabhängig vom Geschlecht, zu einer ihrer Prioritäten erklärt.
„Wir sorgen uns, dass der derzeitige Zerfall des Rechtsstaates jegliche angestrebten gleichstellungsfreundlichen Gesetze der Opposition verhindern wird.“
Hoffnung auf einen politischen Umschwung haben nur die wenigsten. Zuzanna von der Kampania Przeciw Homofobii (Kampagne gegen Homophobie, kurz: KPH) erklärt gegenüber SIEGESSÄULE: „Wir sorgen uns, dass der derzeitige Zerfall des Rechtsstaates jegliche angestrebten gleichstellungsfreundlichen Gesetze der Opposition verhindern wird.“
Nowa Lewica: Ein linker Lichtblick
Die Nowa Lewica (Neue Linke) bietet derzeit den einzigen linksliberalen Lichtblick im Wahlkampfchaos. Auf deren Programm stehen für die queere Community die Gleichstellung der Ehe, Adoptionsrechte, Verbesserungen der rechtlichen Lage für trans* Menschen sowie ein Verbot von Konversionstherapien. Robert Biedroń, stellvertretender Vorsitzender und von 2014 bis 2018 der erste offen schwule Bürgermeister im Land, hofft, dass es seine Partei bei den Wahlen auf den dritten Platz schafft. Momentan käme sie laut Umfragen auf etwa zehn Prozent.
Allerdings gibt es mit der Konföderation Freiheit und Unabhängigkeit (Konfederacja Wolność i Niepodległość) eine noch rechtere Partei, die in den Umfragen bei neun bis zwölf Prozent steht. 2019 konstatierte Parteichef Mentzen, seine Partei sei gegen „Juden, Homosexuelle, Abtreibungen, Steuern und die Europäische Union“.
Polnische Wähler*innen im Ausland haben die Möglichkeit, sich online zu registrieren, um abstimmen zu können. „Doch die Regierung hat es schwieriger gemacht, im Ausland zu wählen,“ erklärt Zuzanna von der KPH. Die Online-Registrierung wurde erst Ende September geöffnet. Dabei würden gerade Wähler*innen, die sich im Ausland befinden, gegen die PiS-Partei stimmen.
„Je näher das Datum rückt, desto schlimmer“, erzählt der*die polnische*r Künstler*in, Politikwissenschaftler*in und Aktivist*in Magdo mit Blick auf die Wahl am 15. Oktober im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Allerdings sieht Magdo in der queeren Community in Polen gleichzeitig viel Bewegung. „Wir finden gerade heraus, was die polnische queere Identität eigentlich bedeutet.“
„Wir finden gerade heraus, was die polnische queere Identität eigentlich bedeutet.“
Queerness sei insbesondere in den vergangenen Jahren sichtbarer geworden. Magdo ist aus Poznań und 2011 nach Berlin umgezogen, um die eigene Identität freier leben zu können. Vieles hier sei frustrierend: „Menschen in Berlin eignen sich die osteuropäische Ästhetik an, aber der östlichste Ort, den sie besucht haben, ist Friedrichshain.“ Solche Leute begegneten Magdo mit einem Fragezeichen, wenn von der kritischen Situation in Polen die Rede ist. Da werde die EU als „westlicher“ Retter gepriesen und Polen als rückschrittlich angesehen. Mittlerweile tritt Magdo als Drag Quing in Warschau und Berlin unter dem Künstlernamen Niyo Kunt auf und spielt mit katholischen Sinnbildern und slawischer Mythologie. „Ich performe Drag für das queere Kind in mir, das niemals die Chance hatte, es selbst zu sein.“
Vor den Wahlen blickt Politiker Biedroń trotz allem mit einem hoffnungsvollen Wunsch in die Zukunft. „Dass wir endlich eine Regierung an der Macht haben, die uns nicht verurteilt. Einfach gesagt: wir wollen gleiche Rechte und gegenseitigen Respekt“, sagt er gegenüber SIEGESSÄULE.
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