Abstammungsrechtsreform: Was haben Regenbogenfamilien erkämpft?
Heute ist der internationale Regenbogenfamilientag. Ein guter Anlass, auf die vergangenen Kämpfe und Erfolge queerer Eltern zu schauen, aber auch einen Blick in die Zukunft zu wagen: Constanze Körner kommentiert die geplante Reform des Abstammungsrechts. Das vorgestellte Eckpunktepapier verspricht, die Diskriminierung queerer Familien und insbesondere lesbischer Eltern und zu beenden
Nichtheteronormative Familien sollten froh sein, überhaupt existieren zu dürfen, das war lange die Haltung in der Mehrheitsgesellschaft. Schließlich flimmerte schon in der Lindenstraße ein lesbisches Paar mit Kind in die sonntäglichen Wohnzimmer. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass Politik und Gesellschaft bereit waren und es scheinbar auch noch immer nicht wirklich sind, Familienvielfalt anzuerkennen und Menschen die Rechte zu gewähren, die ihnen vom Grundgesetz her zustehen.
Die zurückliegenden 25 Jahre Emanzipationsgeschichte der Regenbogenfamilien in Deutschland waren geprägt von Euphorie über hart erkämpfte bürgerrechtliche Errungenschaften bei gleichzeitiger Ernüchterung im Praxistest.
Als 2005 die Stiefkindadoption im Rahmen des Lebenspartnerschaftsgesetzes eingeführt wurde, war die Freude riesig: Endlich konnten über notarielle Beurkundungen, Begutachtungen durch das Jugendamt, Arztpraxen und Familiengerichte gleichberechtigte Eltern für das gemeinsam geplante Kind auf eine Geburtsurkunde geschrieben werden. Schnell stellte sich heraus, dass dieser Prozess für die jungen Familien meist ein Spießrutenlauf der Begutachtung ist, der sich über Jahre hinziehen kann, oft verbunden mit Demütigungen. Noch heute ist genau das Praxis in unserem Land und die Realität von zumeist lesbisch-queeren Paarkonstellationen.
„Beim Thema Familie schien es dann doch zu viel verlangt, heteronormative, patriarchale Muster aufzubrechen.“
Zumindest haben zahlreiche Bundesverfassungsgerichtsurteile dazu geführt, dass queere Menschen schrittweise zu mehr Rechten gekommen sind. Aber beim Thema Familie schien es dann doch zu viel verlangt, heteronormative, patriarchale Muster aufzubrechen. Immerhin: 2009 schaffte es der Begriff „Regenbogenfamilie“ in den Duden. Das glich damals einem Ritterschlag der Anerkennung. Streitpunkt blieb zu der Zeit das gemeinsame Adoptionsrecht in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.
Ich erinnere mich an den medialen Tumult als 2013 die sogenannte Sukzessivadoption eingeführt wurde und ich Deutschlands erstes Regenbogenfamilienzentrum mit viel politischer Prominenz in Berlin eröffnen durfte. Auch eine Arbeitsgruppe im Bundesjustizministerium, unter dem Minister Maas, veröffentlichte 2015 ein Papier mit neuen rechtlichen Möglichkeiten für Regenbogenfamilien. „Mit-Mutterschaft“ war ein neuer Begriff genauso wie die „Eltern-Kind-Zuordnung“ statt vom Abstammungsrecht zu sprechen, aber viel mehr passierte nicht.
„Besonders lesbische Mütter hatten es endgültig satt, staatlich begutachtet zu werden.“
Dann 2017 endlich die Öffnung der sogenannten Ehe für alle. Plötzlich gab es viel Hoffnung, dass die Kinder in Regenbogenfamilien von Geburt an abgesichert seien. Aber so einfach war das nicht. Also ging der Kampf für die Anerkennung queerer Familienformen weiter. Besonders lesbische Mütter, die größte Gruppe der queeren Familien, hatten es endgültig satt, staatlich begutachtet zu werden.
Schluss mit Stiefkindadoption
Einige von ihnen schlossen sich zu der Initiative #nodoption zusammen und zogen bis zum Bundesverfassungsgericht. Aber auch dort Stillstand. Mit der Bundestagswahl 2021 stieg die Hoffnung weiter, dass sich mit der neuen Koalition queere Familienrechte schnell erreichen ließen, das TSG schnell abgeschafft und ein Selbstbestimmungsgesetz eingeführt wird. Die Diskriminierung von trans* Eltern und ihren Kindern sollte endlich Vergangenheit sein. Verbindliche Rechtsgefüge von Mehrelternschaften mit der Möglichkeit zu Vereinbarungen vor der Zeugung eines Kindes, sollten endlich Realität werden.
Nicht nur ich, sondern auch all meine Kolleg*innen, die bei der Bundesinteressengemeinschaft Regenbogenfamilien-Fachkräfte (BIG RBBF) zusammengeschlossen sind, hatten die Befürchtung, dass das Bundesministerium für Justiz es nicht mehr rechtzeitig schaffen würde, ein entsprechendes Papier vorzulegen, das die letzte Hürde in der rechtlichen Anerkennung von queeren Familienformen abbaut. Die vorliegenden Eckpunkte zum Abstammungsrecht beschreibe ich als einen Meilenstein. Ein Riesenwurf insbesondere für lesbische Eltern. So wird für lesbisch-queere Familien endlich Schluss sein mit der Stiefkindadoption bei gemeinsamem Kinderwunsch.
Verschiedene Kinderwunschszenarien sind so auch besser abgesichert. Aber TIN* Eltern bleiben weiter unberücksichtigt – Diskriminierungen bleiben bestehen. Auch die binären Bezeichnungen „Mutter“ und „Vater“ bleiben zementiert und spiegeln nicht die Vielfalt wider, in der Regenbogenfamilien heute leben. Diese Chance ist mit dem Eckpunktepapier vertan.
„Ich hoffe sehr, dass es noch in dieser Legislatur gelingt, ein neues Gesetz zum Abstammungsrecht – oder besser zur Eltern-Kind-Zuordnung – zu beschließen.“
Aber der Gesetzesentwurf kommt ja erst noch und dieser ist entscheidend. Ich hoffe sehr, dass es noch in dieser Legislatur gelingt, ein neues Gesetz zum Abstammungsrecht – oder besser zur Eltern-Kind-Zuordnung – zu beschließen. Denn mit Blick auf das, was da politisch kommen könnte, darf diese Möglichkeit jetzt nicht vertan werden.
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