Reform des Transsexuellengesetzes gescheitert
Die SPD hat heute bekannt gegeben, dass es in dieser Legislaturperiode keine Reform des „Transsexuellengesetzes“ geben werde. Innerhalb der Regierungskoalition sei es nicht gelungen, einen tragbaren Kompromiss zu finden
Durch die Überarbeitung des „Transsexuellengesetzes“ (TSG) hätte neu geregelt werden sollen, wie trans* Personen ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern lassen können. Laut dem derzeit noch geltenden TSG sind dafür ein Gang zum Gericht und zwei kosten- und zeitintensive Gutachten erforderlich.
Wie die SPD am 1. April in einer Pressemitteilung bekannt gab, sei diese Reform jedoch erstmal gescheitert. Die Verantwortung dafür sieht die SPD bei der Union, die einen tragbaren Kompromiss verhindert habe. Der queerpolitische Sprecher Dr. Karl-Heinz Brunner und die zuständige Berichterstatterin im Innenausschuss Elisabeth Kaiser beteuern, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion sehr für eine Reform engagiert habe, zumal das Bundesverfassungsgericht bereits Teile des TSG für verfassungswidrig erklärt hat: „Uns ging es immer um eine Lösung im Sinne der Betroffenen, die das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Blick hat, es geht uns nicht um eine Reform um jeden Preis.“
Kritik an Beratungspflicht
Uneins waren sich die Koalitionsparteien vor allem in der Frage, ob eine verpflichtende „Beratung“ eingeführt werden soll – als Ersatz für die bislang im TSG vorgeschriebenen zwei psychologischen Gutachten. Laut Union sollte diese Beratung von Psycholog*innen und Mediziner*innen durchgeführt werden. Die SPD hatte dies als „pathologisierend“ abgelehnt und sich für ein einfaches Verfahren vor dem Standesamt sowie eine „ergebnisoffene Beratung“ eingesetzt.
„Da Transsexualität keine Krankheit darstellt, bedarf es aus unserer Sicht für die personenstandsrechtliche Änderung keines medizinpsychologisch geschulten Personals“, heißt es dazu in der Pressemitteilung der SPD-Fraktion. „Bei aller Kompromissbereitschaft möchten wir klarstellen, dass wir keinem Gesetzentwurf zugestimmt hätten, der der Selbstbestimmung so wenig gerecht wird.“
Union befürchtet „Missbrauch“
Die Union habe hingegen vor einem „Missbrauch“ des Gesetzes gewarnt. Dieser Einwand sei über das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen gestellt worden, so die SPD: „Da eine selbstbestimmte und respektvolle Reform mit unserem Koalitionspartner CDU/CSU nicht zu finden ist, ist es richtig, die Verhandlungen an diesem Punkt zu beenden und einen weiteren Anlauf in der neuen Legislaturperiode mit neuen politischen Partnern zu unternehmen.“
Dgti: Verhandlungsabbruch ist das „geringere Übel“
Julia Monro von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti e. V.) zeigt Verständnis für den Abbruch der Verhandlungen: „Die heutige Nachricht erschüttert mich. Ich freue mich jedoch darüber, dass die SPD Ministerien Rückgrat bewiesen haben. Mit der Union hätte es keine Entwürfe gegeben, die den Menschen gerecht werden. Deshalb ist der Schritt für mich - so bedauerlich er auch ist - das geringere Übel. Es liegt nun an der Union zu beweisen, wieviel ihnen das C in ihrem Namen bedeutet.“
FDP kritisiert auch die SPD
Die Union hatte erst im Februar einen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem das Transsexuellengesetz abgelöst werden sollte. Unter anderem mit der verpflichtenden „Beratung“ hielt der Entwurf jedoch an Fremdbestimmung fest. Zudem war er zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der SPD abgestimmt worden. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervorging, sei damals bereits nicht mehr damit zu rechnen gewesen, dass die Regierungskoalition noch in dieser Legislaturperiode eine Reform des TSG umsetzt.
Das liege laut Jens Brandenburg, Sprecher für LSBTI der FDP-Bundestagsfraktion, allerdings nicht nur an der Union. In einer heute herausgegebenen Pressemitteilung zum Abbruch der Verhandlungen wirft er auch der SPD fehlenden Einsatz für das Recht von trans* Personen auf Selbstbestimmung vor: „Nach vollmundigen Ankündigungen der SPD-Ministerinnen Giffey und Barley kam nur ein halbherziger Referentenentwurf, den die neue Justizministerin Christine Lambrecht viel zu lange ausgesessen hat. Ein leidenschaftlicher Einsatz für Trans-Rechte sieht anders aus. Nach jahrelangen Blockaden bleibt es nun an einer neuen Koalition, das TSG durch ein echtes Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen."
Grüne und FDP hatten im letzten Jahr Entwürfe für ein Selbstbestimmungsgesetz eingebracht: diese sehen vor, dass trans*, inter* und nicht-binäre Personen ihren Geschlechtseintrag künftig einfach auf Grundlage der Selbstauskunft ändern lassen können.
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