Urteil im Fall Malte C. – Ein Schlag ins Gesicht
Am Mittwoch wurde der Täter, der für den Tod des trans Manns Malte C. verantwortlich ist, zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist ein weiterer Schlag gegen die queere Community, findet Michaela Dudley. Die Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln kommentiert für SIEGESSÄULE
Es ist irgendwie schön, dass wir mit wenigen Handgriffen die Parole #QueerLivesMatter tippen und teilen können. Mit wortwörtlichem Fingerspitzengefühl fügen wir das eine oder andere Emoji hinzu. Ein paar Sekunden an der Tastatur reichen, um unsere ebenso bündige wie bunte Botschaft kreuz und quer durch den Cyberspace zu senden. Aber ein solidarisches Schlagwort kann keinen tödlichen Fausthieb ungeschehen machen. Hashtags und Herzchen lassen niemanden vom Tode wieder auferstehen. Das schaffen Regenbogenflaggen und Rosen auch nicht. Sonst wurde der 25-jährige trans* Mann Malte C. noch unter den Lebenden weilen und wäre nicht in einer Urne auf dem Waldfriedhof Lauheide beigesetzt worden.
Queerfeindliche Gewalt ist Alltag
Tatort Münster. Kein Klamauk, sondern ein echter Kriminalfall, in dem der Hauptdarsteller einen echten Heldentod stirbt. Den Kinnhaken, der im August 2022 Malte zu Boden, ins Koma und schließlich viel zu früh ins Jenseits geschickt hat, spürten wir mit Bestürzung über den Münsteraner Christopher Street Day hinaus. Auch unter der nichtqueeren „Mainstream-Bevölkerung“ war das Entsetzen sehr groß. Denn die Umstände waren besonders tragisch: Ein friedlich feiernder Mann eilte zwei Lesben zu Hilfe, die auf dem Pride beleidigt, bedrängt und bedroht wurden, und er musste mit seinem Leben bezahlen. Vielen Menschen wurde dadurch bewusst, dass queerfeindliche Körpergewalt eben kein Hirngespinst ist, sondern eine harte Realität, mit der wir sowohl beim CSD als auch im Alltag laufend rechnen müssen.
„Ein friedlich feiernder Mann eilte zwei Lesben zu Hilfe und musste mit seinem Leben bezahlen.“
Nun mehr als ein halbes Jahr später kommt in der Causa Malte der nächste Schlag ins Gesicht: Der inzwischen 20 Jahre alte Angeklagte Nuradi A. wurde zwar für schuldig gesprochen, aber nur zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren Haft verurteilt. Er wird genau genommen wegen Körperverletzung mit Todesfolge bestraft. Allerdings könnte diese eine Freiheitsstrafe zwischen einem und fünfzehn Jahren nach sich ziehen. Warum ist sein Strafmaß dann so niedrig ausgefallen? Nur deshalb, weil er geständig ist und sich rechtzeitig als homosexuell geoutet hat?
Nein, die Entscheidung wurde getroffen, ihm nach dem Jugendstrafrecht den Prozess zu machen, und dieses sieht eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren vor. Bereits im Alter von 18 Jahren hätte bei ihm das Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden können. Der Verzicht darauf war ein schwerwiegender Fehler. Denn er war bereits vorher in Verbindung mit Gewalttaten in Erscheinung getreten und ein Mal vorbestraft.
Keine queerfeindlichen Beweggründe?
Der erfahrene Boxer habe angeblich beim Versetzen seiner mehrfachen Schläge, sein (vom Gericht attestiertes) Aggressionspotenzial unterschätzt. Doch damit nicht genug: Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Gutachterin waren der Meinung, Nuradi habe zu keiner Zeit aus homo- oder transfeindlichen Beweggründen gehandelt, und zwar ungeachtet seiner betrunken ausgestoßenen Beschimpfungen „lesbische Huren“ und „scheiß Transen“. Vieles deute darauf hin, „dass der Angeklagte lediglich erbost war über die Einmischung des Getöteten“, so der Sprecher des Landgerichtes Münster. Diese Aussage wäre schon schwer verdaulich gewesen, wenn sie nur vom Verteidiger gekommen wäre. Es ist unschön, aber offensichtlich wahr: Queere Leben zählen eben doch nicht viel.
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