Türkischer Bund bietet Hilfe für migrantische Queers
Mit seinem jüngsten Projekt „Meine Familie – Queers in der Migrationsgesellschaft” setzt der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) seinen Einsatz für LGBTIQ*-Aktivismus gegen Queerfeindlichkeit und Rassismus fort
„Unser Projekt zielt in erster Linie darauf ab, queere Menschen mit Migrationserfahrung und ihre Angehörigen zu vertreten und ihnen Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsmechanismen zu erleichtern“, erklärt Erdem Zayimoglu, seit 2022 in der Projektleitung. Mit queerspezifischen Themen beschäftigt sich der TBB – ein Dachverband, der sich für die Gleichstellung von Menschen mit Migrationserfahrungen einsetzt, besonders aus der Türkei – zwar seit seiner Gründung vor 30 Jahren. Aber ein konkreter Diskriminierungsfall legte den Grundstein für das derzeitige Projekt.
Cis Eltern mit Migrationserfahrung aus der Türkei hatten sich erst an die Charité und dann an eine Trans*-Organisation gewandt, um medizinische und psychosoziale Unterstützung für ihr Kind in Anspruch zu nehmen. Prof. Dr. Zülfukar Çetin, seit 2012 Vorstandsmitglied des TBB, rekapituliert: „Beide weiße Organisationen konnten die Familie nur teilweise unterstützen und behandelten sie entweder als queer oder als migrantisch.“ Ein Paradebeispiel für Mehrfachdiskriminierung bzw. Intersektionalität – und harter Alltag für die Minorität unter den Minoritäten in Deutschland.
„Es fehlte an Erfahrung in rassismuskritischer sozialer Arbeit. Deswegen suchten die Eltern unsere Hilfe“, erklärt Zülfukar. So entstand gemeinsam mit Vertreter*innen von Charité & Co. die Idee, dass der TBB ein Pilotprojekt ins Leben rufen sollte, um diese klaffende Versorgungslücke zu schließen.
Was mit einer halben Stelle anfing, ist nun bereits zu einer fünfköpfigen TBB-Taskforce herangewachsen. Der Fokus ihrer intersektionalen Arbeit bleibt die Kernfamilie. „Wir bieten Beratungsgespräche auf Deutsch, Türkisch und Englisch für migrantische und nicht migrantische Personen und Organisationen an“, erläutert Erdem. „Bei Sensibilisierungs- und Infoveranstaltungen für Gruppen sprechen wir statt Englisch auch Zazaki“ (Sprache der Zaza, einer Bevölkerungsgruppe in Ostanatolien, A. d. Red.).
„Die Leute waren sofort involviert“
Besonders gut kommen auch die neuen Videoporträts von migrantischen Queers an. Emrah Gökmen, künstlerischer Leiter des Projekts „Meine Familie – Queers in der Migrationsgesellschaft“, erinnert sich an eine Veranstaltung mit der migrantischen Initiative „Stadtteilmütter Neukölln“: „Dank der Videos waren die Leute sofort involviert und empathisch“, sagt Gökmen.
Im Anschluss prasselte es neugierige Fragen („Wie war es bei dir, als du klein warst? Wie haben deine Mama und dein Papa reagiert?“), aber auch schwierige („Warum müssen Schwule auf Demos sich so zur Schau stellen?“). Doch Emrah berichtet erfreut: „Schritt für Schritt findet durch das offene Gespräch ein progressives Umdenken statt.“ Auch weil die Grundbotschaft für die Queers und ihre Angehörigen immer lautet: Ihr seid weder falsch noch allein!
„Die Organisation eines Berliner CSDs geht nicht ohne Migrant*innenorganisationen.“
Und wo befinden sich die Lücken der weiß-deutschen Organisationen und queeren Community? „Wir brauchen die genannte rassismuskritische Perspektive“, so Zülfukar. Es sei wichtig, „einzusehen, dass es die Realität der Mehrfachzugehörigkeiten und auch der Mehrfachdiskriminierung gibt“. Es gehe auch um Privilegien – ohne Schuldzuweisungen – und darum, Verantwortung zu übernehmen. Außerdem sei auch Repräsentanz wichtig. „Ladet die Leute ein!“, so Zülfukar: „Die Organisation eines Berliner CSDs zum Beispiel geht nicht ohne Migrant*innenorganisationen.“ Die Liste ließe sich endlos erweitern. Leider. Müde, aber geduldig resümiert Zülfukar dennoch: „Wir müssen zusammenarbeiten, gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Nur so können wir die Mauern, die uns trennen, einreißen."
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