Kommentar zum Angriff auf das Kapitol

Trump ist Geschichte

8. Jan. 2021 Michaela Dudley
Bild: Tyler Merbler CC BY 2.0 Quelle
Proteste von Trump-Anhängern am 6. Januar vor dem Kapitol

Am Mittwoch drangen Trump-Anhänger*innen in das Kapitol in Washington ein, es gab Verletzte und Tote. Auch viele aus seinem inneren politischen Kreis wenden sich von dem scheidenden Präsidenten ab. Aber die Gewalt und die Spaltung der Gesellschaft werden wohl leider bleiben. Michaela Dudley kommentiert

Am Dreikönigstag gab es tumultartige Szenen im Kapitol in Washington. Aberhunderte vorwiegend weiße, rechtsnational geprägte und teils bewaffnete Randalierende stürmten das Regierungsgebäude, das weitgehend seit 1793 als Sitz des US-Kongresses dient. Die Konföderierten-Flagge wurde geschwenkt. Abgeordnete und Senator*innen, vor allem von der Demokratischen Partei, wurden bedrängt und bedroht, bespöttelt und bespuckt. Ihre Büros wurden geplündert.

Funktionsfähige Rohrbomben wurden deponiert. Männer in Hoodies mit Aufschriften wie „Camp Auschwitz“ und „USA statt BLM & LGBTQ“ posierten stolz für ihre Internetpostings. Mit Schlachtrufen wie „Tod den Medien“ veranstaltete man eine Hetzjagd auf Vertreter*innen einer angeblichen „Lügenpresse“. Die Anweisungen der Polizist*innen wurden ignoriert. Eine 44-jährige Militärveteranin, die extra aus Kalifornien angereist war, um beim unbefugten Betreten des Parlaments an vorderster Front zu sein, wurde von einem Polizisten erschossen. Mit einem Feuerlöscher schlug einer der Eindringlinge einen Beamten tot.

„Diese Katastrophe war echt, und ihre Langzeitfolgen für die Demokratie sind noch nicht abzusehen.“

Chaos hoch drei. Die Bilder gingen mit Lichtgeschwindigkeit um die Welt. Auf den ersten Blick wirkten sie wie ein Filmtrailer eines dystopischen Desasterstreifens. Doch diese Katastrophe war echt, und ihre Langzeitfolgen für die Demokratie sind noch nicht abzusehen. Fakt ist, es waren keine besorgten Bürger*innen, sondern Terrorist*innen. Ja, auch White Supremacists sind Terrorist*innen. Ich nenne sie „Vanilla ISIS“, eine Sorte, die sich gerade im Meltdown-Modus befindet. Es sind immerhin gefährliche „MAGA-Süchtige“, die vom abgewählten Präsidenten Donald „Make America Great Again“-Trump dazu angestiftet wurden, die Sitzung zur offiziellen Bestätigung der Wahlergebnisse zu stören. Auch sie sind instrumentalisiert worden. Es handelt sich dabei meist um arme Weiße, denen Obama eine dringend nötige Krankenversicherung beschert hatte. Gerne ließen sie sich von Trump ihre „Obama-Care“ streichen, im Gegenzug erhielten sie angeblich mehr White Privileges.

Der Kreis um Trump dünnt sich aus

Am Dreikönigstag wollte der auf Zwietracht bedachte Trump einen (letzten) Versuch wagen, sich zum nicht absetzbaren Monarchen erklären zu lassen. Mittlerweile gibt es fünf Tote und zu wenige Festnahmen. Aber der Schuss für Trump ist dann doch nach hinten losgegangen. Und mit seinen abstrusen Verschwörungstheorien ist er auch vor Gericht kläglich gescheitert.

Twitter, Facebook & Co haben ihn gesperrt. Sein innerer Kreis dünnt sich aus. Immer mehr seiner bislang loyalsten Kabinetts- bzw. Regierungsmitglieder treten zurück. Ein bisschen spät, wohl bemerkt: Man nennt das wohl „Lebenslaufbereinigung“.

Einige Parteifreund*innen fordern seinen Rücktritt, entweder freiwillig oder sogar im Rahmen einer Erhebung gemäß Artikel 25 der Verfassung, da er ein (Terminus technicus) Spinner sei. Allerdings ein brandgefährlicher Spinner, der noch anderthalb Wochen lang über die Nuklear-Codes verfügen könnte. Am 20. Januar 2021 muss er spätestens das Weiße Hause räumen. Dann wird der Immobilenmogul zwar nicht unbedingt obdachlos, aber seine Angst davor, in einer Gefängniszelle zu landen, prägt seinen Wunsch, die ehrwürdige Washingtoner Anschrift 1600 Pennsylvania Avenue weiterhin zu beanspruchen. Wird er sich und seinen Klan zu begnadigen versuchen?

So oder so ist Trump Geschichte. Und auch ein Produkt der Geschichte, der Geschichte der US-amerikanischen Nation, die von Anbeginn an auf Rassismus, Ausbeutung und Exklusion basierte. Der Schwelbrand des Hasses war schon lange vor ihm da. Doch als pöbelnder Populist wollte er sich nicht nur daran erwärmen. Nein, er brachte Benzin mit und entleerte den Kanister in einem Veitstanz voller Xeno-, Homo- und Transphobie, Misogynie und Gier.

Und auch nach der Amtseinführung von Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris werden die Flammen noch züngeln. Hoffentlich werfen sie wenigstens etwas Licht auf den Weg nach vorne. Die Sorte „Vanilla ISIS“ ist allerdings noch nicht dahingeschmolzen. Und die Gefahr der White Supremacy ist weiterhin nicht gebannt.

Michaela Dudley, trans Frau mit afroamerikanischen Wurzeln und gelernte Juris Dr., ist Kolumnistin, Kabarettistin und Keynote-Rednerin

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