Transsexuellengesetz: Wann kommt die Reform?
Die Union hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um das verfassungswidrige Transsexuellengesetz abzulösen, hält dabei aber an Fremdbestimmung fest. Dass eine Reform noch vor Herbst umgesetzt wird ist unwahrscheinlich
Bewegt sich doch endlich was? Eine Reform oder Abschaffung des völlig veralteten und in Teilen verfassungswidrigen „Transsexuellengesetzes“ (TSG) fordern queere Verbände seit langem. Wie die Berliner Zeitung berichtet, hat das CSU-geführte Innenministerium nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt.
Das „Gesetz zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags“ soll festlegen, wie trans* Personen in Zukunft ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern lassen können. Unter anderem mit einer verpflichtenden „Beratung“ hält der Entwurf jedoch an Fremdbestimmung fest.
Reform nicht vor der Wahl?
Mit dem SPD-geführten Justizministerium ist der Reformvorschlag noch nicht abgestimmt. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht, ist nicht damit zu rechnen, dass die Regierungskoalition noch in dieser Legislaturperiode eine Reform des TSG umsetzt. Der „politische Meinungsbildungsprozess“ zu dem Entwurf innerhalb der Bundesregierung sei noch nicht abgeschlossen, heißt es auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Jens Brandenburg vom 31. Januar.
„Alter Wein in neuen Schläuchen“
Nach einer „jahrelangen Blockade durch das Innenministerium“ sei der Entwurf zwar ein positives Signal, urteilt Jens Brandenburg, queerpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. „Wir brauchen aber keinen alten Wein in neuen Schläuchen.“ Nach dem geltenden TSG müssen trans* Personen psychologische Gutachten vorlegen, um ihren Geschlechtseintrag zu ändern. Im Entwurf der Union ist stattdessen eine „Beratungspflicht“ als neue bürokratische Hürde vorgesehen.
Grüne und FDP hatten dagegen Entwürfe für ein Selbstbestimmungsgesetz eingebracht: sie sehen vor, dass trans*, inter* und nicht-binäre Personen ihren Geschlechtseintrag künftig einfach auf Grundlage der Selbstauskunft ändern lassen können. Die Reform des 1980 beschlossenen TSG sollte „nicht alte Vorurteile kultivieren, sondern die Selbstbestimmung der Betroffenen stärken,“ erklärt Jens Brandenburg. Bei einer Anhörung im Innenausschuss im November hatten vier von sechs gehörten Expert*innen ein solches Selbstbestimmungsrecht begrüßt.
Im Mai 2019 hatten die Koalitionsparteien schon einmal einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das „Transsexuellengesetz“ (TSG) ablösen sollte. Dieser hätte jedoch ebenso an einer Beratungspflicht festgehalten und sogar Verschärfungen eingeführt. LGBTI*-Verbände waren dagegen Sturm gelaufen, der Entwurf wurde nicht umgesetzt.
Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen unterstreichen queere Aktivist*innen immer wieder die Forderung nach Selbstbestimmung. Auch auf gerichtlichem Wege wird versucht, die Politik zum Umdenken zu bewegen: unter anderem im Juni 2020 mit einer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht.
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Der gemeinsame Referentenentwurf des Bundes- und Justizministeriums, der das „Transsexuellengesetz“ (TSG) ablösen soll, wurde vorzeitig im Internet veröffentlicht. Auf der Plattform CitizenGo wurde der Entwurf im Kontext einer queerfeindlichen Petition der rechtskonservativen „Demo für Alle“ verlinkt und ins Netz gestellt.
Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* zeigte sich in einer heutigen Pressemitteilung beunruhigt über den Vorfall: „Es stimmt uns sehr besorgt, dass ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung auf einer rechtspopulistischen Plattform geteilt wird, bevor dieser zwischen den Ministerien abgestimmt ist. Mit dieser Petition wird klar Stimmung gegen die Grundrechte von trans* Personen gemacht. Wir verlangen Aufklärung, wie dieser interne Gesetzesentwurf an die Verfasser_innen der Petition gelangen konnte.“
Der Entwurf (hier nochmnal verlinkt auf der Website des BVT*) sieht nur wenig Veränderungen gegenüber dem Ist-Zustand vor. Während inter* Personen eine Personenstandsänderung beim Standesamt vornehmen können, müssen trans* Personen dafür, wie gehabt, vor Gericht. Statt wie bisher zwei Gutachten, müssen sie nun eine Bescheinigung über eine erfolgte „qualifizierte Beratung“ vorlegen, Minderjährige brauchen auch weiterhin ein Gutachten.
Für inter* Personen könnte es sogar eine Verschärfung geben. Das derzeit geltende Personenstandsgesetz (PStG) und die Regelung zum Geschlechtseintrag „divers“ sind nicht explizit an bestimmte medizinische Merkmale gekoppelt. Nach dem neuen Entwurf dagegen soll das vereinfachte Verfahren beim Standesamt nur Personen offen stehen, die nachweisen können, dass sie „wegen der das Geschlecht bestimmenden Erbanlagen, der hormonalen Anlagen und des Genitals weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden“ können.