Kommentar

Transfeindlichkeit an Humboldt-Uni: Aufgeladene Stimmung bei Podiumsdiskussion

15. Juli 2022 Amanda Beser

Die transfeindliche Meeresbiologie-Doktorandin Vollbrecht holte am 14. Juli an der Humbold-Universität ihren Vortrag zur Zweigeschlechtlichkeit nach. Im Anschluss wurde unter anderem über das Vorgehen der Universität und den Missbrauch von Wissenschaftsfreiheit diskutiert. SIEGESSÄULE-Autorin Amanda Beser war vor Ort und kommentiert

Am Donnerstagabend, den 14. Juli, fand im Audimax II des Campus Nord der HU die Podiumsdiskussion zum Thema „Meinung, Freiheit, Wissenschaft – der Umgang mit gesellschaftlichen Kontroversen an Universitäten“ statt. Wer, wie ich, dabei sein wollte, musste erstmal an den Taschenkontrollen und Anmeldebögen vorbei.

Vor der Podiumsdiskussion hatte die Doktorandin Vollbrecht ihren Vortrag „Geschlecht ist nicht gleich Geschlecht. Sex, Gender und warum es in der Biologie nur zwei Geschlechter gibt“ nachgeholt, den sie bereits während der Langen Nacht der Wissenschaften am 2. Juli hätte halten sollen. Doch nach Protesten von Studierenden gegen die Transfeindlichkeit der Vortragenden hatte die Universität die Veranstaltung abgesagt und dies mit Sicherheitsbedenken begründet.

Bereits vor der Langen Nacht der Wissenschaften stand die queerfeindliche Agenda Vollbrechts in der Kritik. So fand sich ihr Name unter dem skandalösen Gastbeitrag mehrerer Autor*innen, der am 1. Juni unter der Überschrift „Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen“ in der Tageszeitung Welt erschienen war. Auch auf Twitter war Vollbrecht mit extrem transfeindlichen und beleidigenden Äußerungen aufgefallen.

Keine Publikumsfragen

Interessanterweise weigerte sich Vollbrecht im Anschluss an ihre komplexitätsentbehrenden Äußerungen Publikumsfragen zu beantworten. Das führte zu Kritik u. a. von der HU-Geschichtsprofessorin Gabriele Metzler. Auf Twitter schrieb sie: „Ich bin enttäuscht und empört. Frau Vollbrecht lässt nach dem Vortrag keinerlei Fragen zu, nennt Zeitgründe, müsse sofort weiter. Hat dann aber noch 10 Minuten Zeit für Fotos. Man kann in einer Universität keinen Vortrag halten und sich dann der Diskussion entziehen. Wissenschaftsfreiheit heißt nicht, Erkenntnisse zu präsentieren und Fragen zu unterbinden."

An der Podiumsdiskussion zwischen der (aus dem Urlaub zugeschalteten) Bundesministerin für Bildung und Forschung Stark-Watzinger, dem HU-Präsidenten Frensch, Herrn Heger aus der Juristischen Fakultät, Vollbrechts Doktorvater Krahe, Kerstin Palm vom Institut für Geschichtswissenschaften, Heiner Schulze vom Schwulen Museum und Jenny Wilken von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität beteiligte sich Vollbrecht nicht. Begründung: Das Podium wäre unter anderem unangemessen zusammengesetzt und ihr Vortrag müsse nicht kontextualisiert werden! Stattdessen äußerte sich Vollbrecht zusammen mit dem umstrittenen Jugendpsychiater Alexander Korte und Uwe Steinhoff – beide fungieren als Autoren des angesprochenen Artikels in der Welt – auf dem Live-Stream „Geschlecht und Cancel Culture“ (auf YouTube abrufbar).

Angespannte Stimmung

Im Audimax angekommen, schlug mir eine sehr angespannte Stimmung entgegen: Einerseits war die interessierte Hochschulöffentlichkeit anwesend, um ihren Modus Operandi bei den Ereignissen der Langen Nacht der Wissenschaften (LNDW) am 2. Juli zu reflektieren. Andererseits fanden sich auch nicht wenige Unterstützer*innen aus Vollbrechts rechtskonservativem TERF-Lager ein, die über vermeintliche Misogynie skandierten und (w)irre Aussagen über die Existenzberechtigung der Disziplin Gender-Studies von sich gaben.

Außerdem im Publikum: Studierende vom Arbeitskreis kritischer Jurist*innen (AKJ), die die Uni im Vorfeld über Vollbrechts gruppenbezogene Feindlichkeit informiert und Protestaktionen angekündigt hatten sowie betroffene Interessierte, die sich nicht erklären konnten, warum Vollbrechts Aussagen nicht angemessen als queerfeindlich kontextualisiert worden waren.

Die Podiumsdiskussion

Nachdem zu Beginn der Podiumsdiskussion über das Hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit an sich debattiert wurde, fiel es schwer, Vollbrechts Vortrag und sein Narrativ, als von der Wissenschaftsfreiheit gedeckt zu sehen. Vollbrechts Doktorvater Krahe, sagte zwar, dass er in ihrer Geschlechtsdefinition kein Problem sehe, grundsätzlich distanzierte er sich aber von dem Vortrag und dem Niveau des „Biologie-Grundkurses“, wie er es ausdrückte. Prof. Dr. Kerstin Palm vom HU-Institut für Geschichtswissenschaften ergänzte zudem, dass dieser Grundkurs der Aktualität entbehre und Vollbrecht sich selbst disqualifiziere, wenn sie ihre Positionen als einzige Wahrheit kennzeichne.

Unwürdig war es zu sehen, wie Jenny Wilken von der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität von Vollbrecht-Anhänger*innen im Publikum gestört und verlacht und ihrer Einschätzung über die vorliegende Transfeindlicheit in Vollbrechts Positionen in Frage gestellt wurde. Was Transfeindlichkeit ist, bestimmen immer noch Betroffene, sagte Wilken deshalb in ihrem Fazit.

Konsequenzen

Für die Zukunft versprach HU-Präsident Frensch die Auswahlprozesse für Beiträge zur Langen Nacht der Wissenschaften zu evaluieren, echte Expert*innen vortragen zu lassen und eventuell noch ein extra Format für kontroverse Diskussionen zu installieren. Außerdem solle es künftig mehr interdisziplinären Austausch geben. Dabei betonte er, dass das systematische Führen der Debatte über Wissenschaftsfreiheit nicht abreißen dürfe. Es wäre wünschenswert, wenn es nicht bei diesem ersten Gespräch bliebe und alle Versprechen eingehalten würden.

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