Transfeindlichkeit am Arbeitsplatz: Kylie ist kein Einzelfall
Eine trans* Frau verklagte Ende Juni ihren Arbeitgeber McDonald’s, weil er ihr den Zugang zur Frauenumkleide verwehrte. (Exklusivinterview auf SIEGESSÄULE.DE.) Der Fall warf ein Schlaglicht auf das Thema Transfeindlichkeit am Arbeitsplatz. Allein beim Zugang zu Jobs und am Arbeitsplatz selbst erleben trans* Personen häufig Diskriminierung. Sascha Suden ging den Fragen nach, warum sich nur wenige trans* Personen dagegen wehren und was Unternehmen tun müssen, um trans-inklusiver zu werden
Es hätte so einfach sein können an jenem Dezembermorgen, als Kylie sich an ihrem Arbeitsplatz bei McDonald‘s umziehen wollte. Was war passiert? Eine Kollegin wollte nicht, dass sich die trans* Frau in der Frauenumkleide umzieht, und forderte sie auf, die Umkleide zu verlassen. Tief verletzt suchte Kylie Hilfe bei ihren Vorgesetzten. Doch anstatt sie zu unterstützen, nahmen sie die Seite der Kollegin ein, schließlich sei Kylie „biologisch noch ein Mann“. Daraufhin verklagte Kylie McDonald‘s nach dem Antidiskriminierungsgesetz (AGG) auf Schadensersatz. Nachdem es beim Gütetermin am 25. Juni keine Einigung gab, hat das Arbeitsgericht die Verhandlung für Januar angesetzt.
Dabei hätte es nach Ansicht von Gabriel_Nox Koenig nicht so weit kommen müssen. Der Pressesprecher des Bundesverbands Trans* (BVT*) sieht ein Versäumnis bei McDonald‘s. Sie hätten anders reagieren können und auch müssen. Für ihn wäre der Dreiklang „Entschuldigen, reflektieren, korrigieren“ eine mögliche Reaktion gewesen.
Kylie ist kein Einzelfall. Wie schwer es queere Menschen immer noch haben, zeigt die Studie „Out im Office?!“ des Instituts für Diversity und Antidiskriminierungsforschung: Die Offenheit gegenüber queeren Menschen am Arbeitsplatz ist angestiegen, was positive Auswirkungen auf Gesundheit und Arbeitszufriedenheit hat. Diskriminierungserfahrungen haben hingegen leider nicht abgenommen. „Sichtbarkeitsparadox“ nennt es Studienleiter Prof. Dr. Dominic Frohn: „Mehr Sichtbarkeit führt offenbar auch zu einer Gegenbewegung bei manchen Personen aus der Mehrheitsgesellschaft und somit zu mehr Diskriminierung.“ Die muss Kylie nun im Netz aushalten, nachdem ihr Fall bundesweit bekannt wurde. „Ich finde es großartig, dass sie so mutig ist“, so Nora Eckert, eine wichtige Aktivistin für Trans*-Rechte. „Es braucht immer Menschen, die für ihre und die Rechte anderer kämpfen“, fährt sie fort, „aber es kostet Kraft, sich zu behaupten.“
Das wollte auch Lia Marie, die als Journalistin beim Fernsehen anfing und es bis vor die Kamera schaffte, als sie noch als Mann gelesen wurde. Nachdem sie sich als Frau outete, war ihre vielversprechende Karriere vorbei. Sie wurde immer schlechter behandelt, wurde krank und musste den Sender verlassen. Sie sieht den Staat in der Pflicht: „Der Staat müsste eigentlich präventiv agieren. Es geht um Garantien, die in der Verfassung stehen.“ Und nicht nur dort. Der Arbeitgeber hat nach Paragraf 618 BGB gegenüber seinen Mitarbeitenden eine Fürsorgepflicht.
Was tun Unternehmen, die es ernst meinen?
Pinkwashing macht noch kein transfreundliches Unternehmen. Wie Firmen handeln sollten, die es ernst meinen, macht Koenig deutlich: Anstatt sich hinter einem flachen „Wir akzeptieren alle“ zu verstecken, sollten sie die Situation, dass Mitarbeiter*innen transitionieren könnten, durchspielen und zu Ende denken: „Wie gehen wir damit um? Was passiert mit Dienstplänen, Namensschildern, E-Mail-Adressen, Toiletten ...?“ Dies gilt übrigens auch für andere marginalisierte Gruppen. Unternehmen sollten „darauf vorbereitet sein, dass sich das Leben eines Mitarbeitenden plötzlich verändern kann“.
„Wir trans* Menschen leben in einer heteronormativen Gesellschaft, wir kämpfen schon mit uns selbst, und da fällt es schwer, auch noch nach außen zu kämpfen.“
Auch Martinas Leben veränderte sich, als sie sich als Frau outete. Aufgrund persönlicher Umstände entschied sie sich zunächst gegen geschlechtsangleichende Behandlungen und einen Personenstandswechsel, kleidete sich aber feminin und ging so arbeiten – in einem Ministerium. Sie erfuhr über Jahre keine sichtbare Diskriminierung. Anscheinend gab es in ihrer Behörde eine unausgesprochene Vereinbarung, dass der Wandel vom männlich gelesenen Mitarbeiter zur Mitarbeiterin ignoriert werden soll. Niemand sprach sie darauf an. Sie gewöhnte sich daran. Nachdem sie vor vier Jahren die Personenstands- und die Namensänderung vornahm, gab es ebenfalls keine Reaktionen. Sie teilte 150 ihrer Kolleg*innen per E-Mail mit, dass sie nun Martina sei. „Mit der Ignoranz konnte ich leben“, sagt sie heute. Warum sie nicht für mehr Sichtbarkeit und Anerkennung gekämpft hat? „Wir trans* Menschen leben in einer heteronormativen Gesellschaft, wir kämpfen schon mit uns selbst, und da fällt es schwer, auch noch nach außen zu kämpfen.“
Ignoranz ist keine Lösung
„Der Arbeitsplatz sollte ein Ort sein, an dem man gerne ist. Diskriminierung bedeutet Stress, der die Zufriedenheit am Arbeitsplatz einschränkt und sogar krank machen kann“, sagt Sven Lehmann, der Queerbeauftragte der Bundesregierung. Er sieht das Problem, dass „viele LSBTIQ* sich nicht trauen, sich zu outen und offen zu leben, oftmals aus Angst vor dummen Sprüchen, Belästigungen und Nachteilen.“ Das sieht Dr. Frohn genauso. Ein verschlossener Umgang mit der eigenen Identität sei dennoch – auch wenn dies eine individuelle Entscheidung ist – grundsätzlich nicht zu empfehlen: „Die Konsequenz, sich zu verschließen, hat beispielsweise negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Umgekehrt geht ein offener Umgang belegbar mit einer höheren Arbeitszufriedenheit einher.“ Die Identität von Mitarbeiter*innen zu ignorieren ist für ihn keine Lösung. Es ist verletzend, „wenn das erlebte Geschlecht einer Person ignoriert oder gar geleugnet wird“.
„Der Arbeitsplatz sollte ein Ort sein, an dem man gerne ist. Diskriminierung bedeutet Stress, der die Zufriedenheit am Arbeitsplatz einschränkt und sogar krank machen kann“
Dass es auch anders geht, erfuhr Kylie bei der queeren Karrieremesse Sticks & Stones. Als sie am Stand der Allianz vorbeikam, wurde sie herzlich von Saskia Vierling begrüßt. Die Diversity-Managerin erzählte von Maßnahmen, die bei der Versicherung getroffen werden, damit sich alle Mitarbeitenden wohlfühlen. Dazu gehören
für sie selbstverständlich Hygieneboxen in den Männertoiletten für trans* Männer. Das ist für Dr. Frohn ein entscheidender Faktor der Studie: „Wenn sich Unternehmen im Thema Vielfalt engagieren, dann hat das genau diese positiven Effekte, das können wir empirisch belegen.“
Warum es McDonald‘s so schwerfällt, sich zu entschuldigen? „Es fehlt eine Fehlerkultur“, vermutet Koenig. Dabei hätte Kylies Fall eine Chance sein können, „mit den Fehlern produktiv umzugehen, aus ihnen zu lernen und dafür zu sorgen, dass diese Situation so nicht noch mal vorkommt.“
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