Frobenstraße

Trans Sexarbeiterinnen in Not: „Das Gesetz ist gegen uns“

7. Jan. 2021 Andrea Birmingham
Bild: jackielynn

Mit dem erneuten Lockdown wurde auch die Sexarbeit wieder verboten. Marginalisierte Gruppen innerhalb der Branche trifft das besonders hart. Andrea Birmingham sprach mit trans Sexarbeiterin Isabella, die auf der Berliner Frobenstraße tätig ist, und mit der Gruppe Trans*sexworks über die zunehmend dramatische Lage

Isabella kam 2015 aus Bulgarien nach Berlin – wegen der Freiheit, die die Stadt bietet, sich selbst und die eigene Sexualität auszudrücken, wie sie im Gespräch mit SIEGESSÄULE erzählt. Bald nach ihrem Umzug berichteten ihr Freund*innen von der Sexarbeit auf der Frobenstraße. Mehrere Jahre, bis zu Beginn der Corona-Pandemie, lebte Isabella davon. Eine verlässliche Einkommensquelle sei ihre Tätigkeit natürlich nicht gewesen, „aber man hat am Ende doch den Betrag gemacht und konnte seine Miete bezahlen. Es war mein ganz normales Leben: aufwachen, Alltagsdinge erledigen, mich fertig machen und dann auf die Straße zur Arbeit gehen.“

„Die Arbeit auf der Straße war ihr ganz normales Leben, sagt Isabella. Durch Corona habe sich aber vieles zum Negativen verändert.“

Für Isabella überwogen dabei die positiven Erfahrungen. „Das Verhältnis zu meinen Kunden war meist freundlich, die meisten waren nett.“ Durch Corona habe sich aber leider vieles zum Negativen verändert: „Jetzt gibt es keine Kunden, das Gesetz ist gegen uns und die Preise sind schlecht“.

Hilfen erreichen längst nicht alle

Durch die Corona-Regelungen der Länder wurde Sexarbeit seit März fast bundesweit verboten und nur schritt- und teilweise über den Sommer wieder zugelassen. Erst im August beschloss der Berliner Senat, das Prostitutionsverbot zu kippen – zu einem Zeitpunkt, als andere körpernahe Dienstleistungen, etwa medizinische Massagen, schon längst wieder erlaubt waren. Seit November sind Prostitutionsstätten nun erneut geschlossen, für wie lange ist derzeit nicht absehbar. Zwar gelten Sexarbeitende mit Wohnsitz in Deutschland als Soloselbstständige und können genauso wie andere Branchen Corona-Hilfen beantragen. Anspruch auf staatliche Unterstützung haben aber nicht alle: Durch das Netz fallen etwa die, die über keine gültige Meldeadresse verfügen.

Dies gelte für viele derjenigen, die auf der Frobenstraße arbeiten, erzählt Caspar Tate. Er engagiert sich bei Trans*sexworks – eine von trans* Sexarbeiter*innen geführte ehrenamtliche Organisation in Berlin, die Notversorgung, etwa mit Gütern und Lebensmitteln, und Peer-to-Peer-Beratung anbietet. Die Gegend um die Kurfürstenstraße galt schon um 1900 herum als ein Ort, an dem marginalisierte Sexarbeitende tätig waren. In der jüngeren Geschichte diente insbesondere die Frobenstraße als Aufenthaltsort für einige trans* Sexarbeiterinnen. Die meisten von ihnen kommen aus Bulgarien, einige gehören Minderheiten wie Rom*nija an, berichtet Tate. Während manche in der Corona-Krise auf Online-Sexarbeit umsteigen konnten, fehlten einigen anderen dafür sowohl das Equipment als auch die nötigen technischen Kenntnisse.

Weniger Einnahmen, mehr Kontrollen

Trans*sexworks wurde vor knapp sechs Jahren gegründet, als Teil einer Initiative für trans* Sexarbeiter*innen von TransInterQueer e. V. Schon seit März versucht das Team immer wieder darauf aufmerksam zu machen, wie heikel die Lage in der Corona-Krise geworden ist. Selbst als die Verbote noch nicht in Kraft waren, seien viele Kunden bereits ferngeblieben, weil „Sexarbeiter*innen oder Menschen mit niedrigem Einkommen als Krankheitsüberträger*innen stigmatisiert wurden“, wie Tate erzählt. Die fehlende Kundschaft drücke natürlich auch die Preise. Einige der Sexarbeiterinnen von der Frobenstraße „sehen sich derzeit gezwungen, ja zu Angeboten zu sagen, über die sie früher gelacht hätten“. Laut Tate bekommen die Arbeiterinnen derzeit „vielleicht 20 Euro pro Nacht, gerade genug, um Tabak zu kaufen und wieder nach Hause zu gehen“.

„Einige der Sexarbeiterinnen sehen sich derzeit gezwungen, ja zu Angeboten zu sagen, über die sie früher gelacht hätten.“

Auch die Polizeipräsenz im Viertel sei vor der Pandemie weniger problematisch gewesen, das Verhältnis zwischen den Beamt*innen und den Arbeiterinnen erlebte Tate als gut. Im Sommer hätten die Kontrollen dann aber „extrem“ zugenommen: Wenn Trans*sexworks etwa tagsüber Essen ausgab, sei alle 20 Minuten ein Polizeiauto vorbeigefahren, nachts hätten Polizeiautos auf der Straße geparkt, „um Kunden abzuschrecken“.

Auch andere Organisationen von und für Sexarbeiter*innen in Deutschland weisen darauf hin, dass die Corona-Krise einiges verschlimmert hat. „In der Sexarbeit arbeiten viele vulnerable Gruppen, die besonders schutzbedürftig sind“, betont etwa der Bundesverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e. V. (BesD) auf seiner Website. „Diesen Menschen ist es bisher gelungen, durch Sexarbeit für sich selbst zu sorgen. Gerade sie sind von einem Arbeitsverbot extrem betroffen. Sie fallen oft durch die Maschen des staatlichen Hilfesystems, können sich einen Arbeitsausfall nicht leisten und müssen illegal weiterarbeiten.“ Vonseiten der Bundes- und Landesregierungen werde zu wenig getan, um diese Gruppe im Lockdown zu unterstützen.

Kaum Anlaufstellen für trans Sexarbeiter*innen

So gibt es auch zu wenig Anlaufstellen in der Stadt, bei denen die Arbeiterinnen von der Frobenstraße Hilfe bekommen könnten. Der Eindruck von Trans*sexworks: Soziale Träger seien oft nicht für trans*, sondern nur für cis Sexarbeiterinnen offen. Tate nennt das Beispiel einer Notunterkunft, die während des ersten Lockdowns siebzehn Unterbringungsplätze speziell für Sexarbeiterinnen zur Verfügung stellte. Dafür waren Gelder der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung bewilligt worden. Die Plätze seien jedoch „sofort mit cis Frauen gefüllt worden. Wir als Organisation hörten erst viel zu spät davon, niemand fragte uns, ob wir von trans Frauen wissen, die eine Unterkunft brauchen.“

„Laut Isabella leben einige der Frauen, die sie kennt, derzeit in einem Zelt im Park.“

Nun, im Winter und im erneuten Lockdown, bestehe das Problem natürlich weiter. Laut Isabella lebten einige der Frauen, die sie kenne, derzeit „in einem Zelt im Park“. Trans*sexworks fordert, dass mehr Betten zur Verfügung gestellt werden, in einem Umfeld, in dem die trans Frauen sich vor Belästigungen sicher fühlen können. Nicht nur in Corona-Zeiten brauche es außerdem mehr Hilfs- und Beratungsangebote in verschiedenen Sprachen, nicht nur für cis, sondern auch für trans* Sexarbeiterinnen.

Für viele könnte der fehlende Zugang zu Arbeit und Einkünften sich in den kommenden Monaten fatal auswirken, befürchtet Tate – besonders jetzt im Winter. Und auch Isabella schaut mit Zweifeln in die Zukunft: „Ich weiß nicht, ob ich bleiben werde.“

Update 08.02.

Die Schwulenberatung Berlin kann seit dem 08.02. auch trans Sexarbeiter*innen mit Migrationserfahrung einen Wohnplatz in der von ihr betriebenen queeren Erstaufnahmeeinrichtung und Gemeinschaftsunterkunft für LSBTI* Geflüchtete anbieten. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten hatte eine entsprechende Ausnahmeregelung erteilt. Da die Situation von Sexarbeiter*innen aufgrund des coronabedingten Beschäftigungsverbots prekär ist und die bisherigen Maßnahmen des Landes Berlin gerade trans* Sexarbeiter*innen nicht erreicht haben, versucht die Schwulenberatung über dieses Angebot Unterstützung zu bieten.

Angehörige der Zielgruppen können bei den sozialen Wohnhilfen der Bezirke vorstellig werden und für einen Wohnplatz in der queeren Unterkunft Treptow anfragen. Eine Kostenübernahme für die queere Unterkunft kann im Rahmen der zur Verfügung stehenden Kapazitäten unmittelbar ausgestellt werden. Bei Fragen bezüglich der Voraussetzungen und Unterstützung bei der Inanspruchnahme können sich Interessent*innen an folgende Emailadressen wenden:
unterrefugees@schwulenberatungberlin.de
qu.treptow@schwulenberatungberlin.de

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