„Mixed Days“ in Schwulensaunen

Trans* im Dampfbad: Wir brauchen eine genderqueere Saunakultur!

10. Feb. 2025 Florian Mildenberger, pb
Bild: Canva

Die Sauna-Landschaft ist für trans* und nicht binäre Menschen oft ein Ort der Ausgrenzung. Doch immer mehr Schwulensaunen öffnen sich und bieten trans-inklusive Formate an – so zum Beispiel die Club-Sauna in Berlin mit den Events „Gender Mix“ und „TIN* Sauna“. In Zeiten wachsender Transfeindlichkeit ist das dringend nötig. Ein Blick auf die Schwulensauna als Safer Space, diskriminierende Türpolitik und positive Veränderungen

In den 1970er-Jahren waren sie ein Hort ungehemmter Sexualkultur, in den 1980er-Jahren wären sie aufgrund der Aids-Panik deutscher Politiker*innen beinahe untergegangen und erlebten erst nach der Jahrtausendwende eine phänomenale Renaissance: Die Schwulensaunas. Hier ist alles so viel einfacher als bei Flirts in Kneipen oder auf digitalen Plattformen. Denn dort kann nur mit XL-Penissen geworben werden, die bestenfalls in der eigenen Fantasie existieren. In der Sauna hingegen ist man stets mit nackten Tatsachen konfrontiert.

Was aber auf jeden Fall garantiert ist – oder bis vor kurzem als sicher galt – war die Kontrolle an der Tür, wonach nur cis Männer die Pforte passieren dürfen und auf keinen Fall Menschen, die bei Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurden. Hinein ging es nur mit Klingel und Türspion wie in eine Kneipe der 1950er-Jahre.

Anders ist das in in Hannover, Hamburg, Leipzig oder Köln. Hier gibt es schon länger einen Tag in der Woche, an dem alles anders ist – am „Mixed-Day“. Wer in Berlin bis vor kurzem als trans* Person, schwuler oder bisexueller Mann freies sexuelles Treiben ohne Bekleidung und jenseits aller Geschlechtergrenzen erleben wollte, dem blieb meist nur der Pool im KitKat.

„A new hedonistic space of diversity“

Glücklicherweise ändert sich auch in der Hauptstadt etwas. Am 8. Januar eröffnete offiziell die Club-Sauna des Boiler im umgebauten, ehemaligen Untertage Club. Als die kleine intime Schwester des großen Schuppens lautet ihr Motto „A new hedonistic space of diversity“. Dass den Betreibenden hier mehr vorschwebt als eine zusätzliche Einnahmequelle bewiesen sie sogleich. Denn zu der Eröffnung waren nicht nur cis Männer geladen. Spätestens ab 19.30 sah man immer mehr Menschen durch die dunklen Gänge huschen oder in der Schaumparty spielen, die nicht der binären Geschlechternorm entsprachen.

Jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat wird nun der „Gender Mix“ in der Club-Sauna stattfinden, offen für LGBTIQ* aller Geschlechter. Außerdem gibt es noch ein weiteres Format: Die „TIN* Sauna“ spezifisch für trans*, inter* und nicht binäre Menschen, jeden zweiten und vierten Freitag im Monat.

In Zeiten, in denen der Ruf nach transfeindlichen Ausschlüssen lauter wird – ob im Sport, in der Sauna-/Wellnesslandschaft oder Sexclubs, sind trans-inklusive Veranstaltungen nicht nur ein gutes Zeichen, sondern bitter nötig.

Bild: Boiler Berlin
Finnische Sauna in der Club-Sauna Berlin

Eiertanz um Geschlechtszuordnung

Kürzlich verlangte der Deutsche Sauna-Bund in einem Leitfaden eine „Sichtkontrolle des Erscheinungsbildes“ am Einlass, um festzustellen, ob eine Person als „männlich, weiblich oder divers“ wahrgenommen wird. Ein Gast in einem geschlechtsspezifischen Bereich, dessen Erscheinungsbild nicht übereinstimme, könne des Ortes verwiesen werden. Wer sich diskriminiert fühle, hätte die Möglichkeit, „freiwillig“ sein „primäres Geschlechtsmerkmal nachzuweisen“.

Dieser transfeindliche Leitfaden ist eine Folge der Debatten ums Selbstbestimmungsgesetz, bei dem immer wieder die angebliche Störung von „Frauenschutzräumen“ durch trans* Personen, insbesondere trans* Frauen, diskutiert wurde. Der „Sauna-Paragraf“ landete trotz Kritik aus der Trans*-Community im Gesetzestext: Wellnessbetriebe dürfen mit Verweis aufs Hausrecht trans* Personen ausschließen.

Doch auch queere Sauna- und Sexclub-Betreiber*innen tun sich zuweilen schwer mit der Trans-Inklusion – oder sie versuchen sich stückweit zu öffnen, doch scheinen ihre Türpolitik nicht richtig durchdacht zu haben. So heißt es beispielsweise auf der Homepage des Monopolisten Boiler-Sauna in verbogener Sprache, Zugang erhielten alle Personen, die beim Betreten der Sauna von den Angestellten „in bekleideter Variante als Mann wahrgenommen werden“. Ein Satz weiter ist zu lesen, man mache den Einlass nicht vom „Vorliegen körperlicher Merkmale oder dem offiziellen Personenstand abhängig“.

Zwei Sätze weiter heißt es entschuldigend, dass man wisse, dass man „unseren Gästen dadurch eine Einschätzung ihres Körpers und auch ihrer Identität durch unser Team“ zumute. Aber man sei ja vor allem am „männlichen Spektrum“ interessiert.

Somit wird ein bestimmtes Passing erwartet, bei dem Gäste „als Mann“ wahrgenommen werden müssen, unabhängig von körperlichen Merkmalen und ihrem Personenstand. Diese Praxis mag für einige trans* Männer funktionieren, schließt jedoch viele trans* und nicht binäre Personen aus – oder misgendert sie: Trans* Frauen, die sich mühevoll durch Psychotherapie und endokrinologische Behandlungen gekämpft haben, um endlich als Frau wahrgenommen zu werden, müssen, wenn sie nicht in die Heterosauna wollen (wo sie auch oft diskriminiert werden), beweisen, dass sie doch irgendwie Männer seien.

Was soll denn dieser Eiertanz? Fürchten die Betreiber, dass den schwulen Männern vor Schreck der Schwanz abfällt, wenn im Saunanebel plötzlich zwei Brüste neben hunderten Penissen zu sehen sind? Die queere Community sollte eine trans-inklusivere Praxis und Türpolitik aufweisen als die Mehrheitsgesellschaft.

Hedonistischer Safer Space

Die Mixed-Day-Praxis in Hamburg, Hannover oder im Rheinland hat gezeigt, wie es anders gehen kann: Die interessierte Lesbe chillt hier mit ihrem schwulen Mitbewohner. Neugierige Heteros und vergnügungswütige Single-Frauen treffen auf exhibitionistisch veranlagte Paare aller Geschlechtskonstellationen. Hier tummeln sich schwule Männer, die sich womöglich fragen, ob sie nicht doch bisexuell sind. Dazu eine nicht zu kleine Zahl von nicht binären und trans* Personen, die sich am Anfang ihrer Hormonbehandlungen befinden und erste Schritte in ein neues Leben und Akzeptanz des eigenen Körpers wagen.

Die „Mixed-Days“ sind ein multisexueller Safer Space für viele Menschen, die woanders ihre Sexualität nicht offen ausleben können.

Die schwulen Angestellten blicken meist eher belustigt auf das für sie ungewohnte Treiben. Oder wie eine Barschlampe mal zu mir meinte: „Das letzte Mal, dass ich einer nackten Frau so nahe war, befand ich mich noch im Leib meiner Mutter“.

Die „Mixed-Days“ sind ein multisexueller Safer Space für viele Menschen, die woanders ihre Sexualität nicht offen ausleben können oder sich in Bezug auf den eigenen nackten Körper andernorts nicht akzeptiert fühlen. Davon braucht es mehr! Der „Gender Mix“-Tag in Berlin und die „TIN* Sauna“ sind ein guter Anfang.

Club-Sauna Berlin
Gender Mix: mittwochs 12.02. und 26.02., ab 16:30
TIN* Sauna: freitags 14.02. und 28.02., ab 16:30
clubsauna.berlin

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