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Trans*-Aktivist Dean Spade: „Isolation ist unsere größte Gefahr“

31. März 2025 Interview: Lara Hansen
Bild: Dean Spade
Der US-amerikanische Trans*-Aktivist, Professor und Anwalt Dean Spade

Dean Spade – Trans*-Aktivist, Anwalt, Professor und Autor – gründete 2002 das Sylvia Rivera Law Project in New York City, ein Anwaltskollektiv, das trans* und nicht binären Personen, Menschen mit geringem Einkommen und BIPoC kostenlose Rechtsberatung anbietet. Zum heutigen Trans* Day Of Visbility sprach er mit Redakteur*in Lara Hansen über aktuelle Bedrohungen für trans* Menschen in den USA und darüber hinaus

Seit seinem ersten Tag im Amt hat US-Präsident Donald Trump damit begonnen, trans* Personen ihre Rechte zu entziehen, unter anderem sollen Ausweisdokumente wie Reisepässe das Geschlecht „bei der Empfängnis“ widerspiegeln – wie sieht das in der Realität aus? Trumps Gesetze gelten für Dokumente auf nationaler Ebene, wie etwa Reisepässe, aber nicht für bundesstaatliche Ausweise wie Führerscheine und Versicherungsausweise. Das sorgt gerade für Chaos. Es gibt Berichte von trans* Leuten, die versucht haben, ihre Reisepässe zu erneuern, und eine Absage bekommen haben. In den meisten Staaten kann man seine Geburtsurkunde aber weiterhin anpassen. Wir wissen noch nicht, ob es so bleiben wird ... gewissermaßen sind wir um 20 Jahre zurückkatapultiert worden.

Gewissermaßen sind wir um 20 Jahre zurückkatapultiert worden.

Der National Park Service hat im Februar Erwähnungen von trans* und queeren Personen von der Website des „Stonewall National Monument“ in New York entfernt und die Bewegung stattdessen auf „LGB“ reduziert. Wie bewertest du das? In den USA, in Deutschland sicherlich auch, haben Lesben und Schwule lange einen LGB-Aktivismus betrieben, der trans* Menschen ausschließt. Ich fürchte, dass es schon wieder in diese Richtung geht. Die sowieso schon schlechten Lebensumstände von trans* Menschen werden durch diesen kulturellen Moment des Hasses noch verschlimmert. Wir müssen uns gegenseitig schützen. Das sehen wir auch dadurch, dass Selbstverteidigungskurse unter trans* und queeren Menschen gerade immer beliebter werden.

In deinem Buch „Love in a F*cked Up World: How to Build Relationships, Hook Up, and Raise Hell Together“ schreibst du auch über die Schwachstellen unserer Bewegungen. In Berlin spaltet sich die queere Community zunehmend, etwa durch Homonationalismus. Wie können wir dem entgegenwirken? Du sprichst unter anderem von der „Was sonst noch wahr ist“-Strategie. Ein großer Teil meiner Arbeit in den letzten 25 Jahren bestand darin, für eine trans* Bewegung einzutreten, die auf Antirassismus und wirtschaftlicher Gerechtigkeit basiert. Unser Ziel sollte es nicht sein, wie heterosexuelle Menschen zu leben, der Polizei oder dem Militär beizutreten. Diese Art von Anpassung grenzt trans* BIPoC, Migrant*innen und arme Menschen weiter aus und bestärkt das System. Stattdessen müssen wir eine abolitionistische Perspektive einnehmen. Ein großer Teil davon war in den vergangenen zwei Jahren – für mich schon meine ganze Karriere lang – propalästinensischer Aktivismus. In Deutschland wird diese Solidarität mit Palästina stigmatisiert – auch von der linken Seite, das macht mir große Sorgen. Ich war mal in Deutschland, nachdem ich mit einer queeren Anti-Pinkwashing-Delegation nach Palästina gereist war, und berichtete über meine Erfahrung. Ein paar linke Deutsche schrien mich an, dass ich dieses und jenes nicht sagen dürfe, weil ihre Großeltern Nazis waren. Mein Vater ist vor dem Holocaust geflüchtet und ich bin selbst jüdisch. Ich lass mich definitiv nicht zum Schweigen bringen.

Wenn wir uns gegenseitig auf eine Art und Weise behandeln, die von Kapitalismus und Rassismus geprägt ist, scheitern wir. Wir müssen üben, konstruktiv mit Konflikt umzugehen.

Unsere Bewegungen bestehen aus unseren Beziehungen. Wenn wir uns gegenseitig auf eine Art und Weise behandeln, die von Kapitalismus und Rassismus geprägt ist, scheitern wir. Wir müssen üben, konstruktiv mit Konflikt umzugehen. Dabei hilft die „Was ist sonst noch wahr?“-Methode. Wenn wir in einem Streit von unseren Gefühlen überwältigt werden, bekommen wir schnell einen Tunnelblick, fokussieren uns darauf, wie schlecht diese Person oder diese Gruppe ist, aber verlieren dabei die Perspektive auf das Große und Ganze. Wir sollten uns dann fragen: „Was ist sonst noch wahr in Bezug auf diese Person oder Gruppe und auf mich selbst?“ Vielleicht vergesse ich, wann sie für mich da waren, welche Werte wir teilen, und was für mich gerade gut funktioniert. Das kann uns wieder zueinander führen.

Was hat sich aus deiner eigenen Erfahrung als langjähriger Aktivist als erfolgreich erwiesen? Direkter Aktivismus und „Mutual Aid“ funktionieren am besten. Was nicht funktioniert, ist Protest, der darauf abzielt, die Mächtigen zu überzeugen – gar anzuflehen – uns anders zu behandeln. Die wissen doch ganz genau, dass Völkermord Menschen tötet und dass fossile Brennstoffe den Planeten zerstören. Wir müssen uns nehmen, was wir brauchen, um füreinander da zu sein und ihren Einfluss weitestgehend zu stoppen. Das kann bedeuten: Menschen vor der Polizei- und Zollbehörde ICE zu schützen, hausgemachte Medikamente zu teilen, Pipelines zu blockieren und so weiter.

Direkter Aktivismus und „Mutual Aid“ funktionieren am besten. Was nicht funktioniert, ist Protest, der darauf abzielt, die Mächtigen zu überzeugen – gar anzuflehen – uns anders zu behandeln.

Die Demokraten haben letzten Monat einen republikanischen Gesetzentwurf torpediert, der trans Athletinnen vom Frauensport ausschließen sollte. Gibt dieser Widerstand der Opposition ein bisschen Hoffnung? Ich traue den Demokraten nicht. Sie haben den Laken-Riley-Act kurz vor Bidens Abgang verabschiedet (Anm. d. Red.: ein US-Einwanderungsgesetz, nach dem Migrant*innen auch für geringfügige Vergehen wie Ladendiebstahl abgeschoben werden können). In den US-Medien bedauern viele Demokrat*innen außerdem die Unterstützung der Partei für trans* Menschen und behaupten, es habe ihnen den Wahlsieg gekostet. Letztendlich werden sie selbst weiter nach rechts gehen, während sie sich von Trump an der Oberfläche abgrenzen.

Wir müssen uns trauen, mehr Leute zu finden, auf die wir zählen können und unsere Freundschaften zu vertiefen.

Wenn alle Parteien nach rechts rücken, wie auch hier in Deutschland, müssen wir enger zusammenrücken. Hast du konkrete Beispiele, wie wir uns unterstützen können? Was wir brauchen, ist emotionale Unterstützung. Denn die Isolation ist unsere größte Gefahr. Was auch immer man durchmacht, alles ist schlimmer, wenn man isoliert ist. Also: sich Gruppen anschließen, mit denen man sich identifizieren kann und Anschluss in der eigenen Nachbarschaft finden. Wir müssen uns trauen, mehr Leute zu finden, auf die wir zählen können und unsere Freundschaften zu vertiefen. Community-Arbeit in der Nachbarschaft, Food-Sharing, Unterstützung für queere und trans* Menschen auf der Straße oder im Gefängnis. Auch Partys können eine Form von Mutual Aid sein, wenn wir Politik integrieren. Wichtig ist, dass Menschen ihre soziale Isolation überwinden. Damit wir nicht allein sind, wenn es schlimmer wird.

Sylvia Rivera Law Project: srlp.org
Dean Spade auf Instagram:
@spade.dean

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