Toxische Männlichkeit, Rammstein-Skandal: „Backlash“ oder „ganz normal“?
Die umstrittene Umfrage von Plan International legte nahe, dass viele Männer Gewalt gegen Frauen gutheißen würden. Parallel lässt der #MeToo-Skandal um Rammstein eine Taktik vermuten, mit der junge Frauen gezielt für Sex mit Till Lindemann rekrutiert worden sind. Befinden wir uns in einem sexistischen Backlash? Nein, findet Gudrun Fertig und kommentiert für SIEGESSÄULE, warum falsche Empörung am Problem vorbeiführt
Was nervt, ist die Überraschung. Fans, Manager*innen, Politiker*innen – alle, die weniger von sexistischen Strukturen betroffen sind, oder sich einreden, so schlimm wäre das doch nicht, geben sich geschockt: Wie kann es sein, dass Frauen in so unfassbarer Weise schlecht behandelt werden? Kurz schrecken sie auf, wenn wieder ein #MeToo-Fall eines prominenten Stars bekannt wird, um dann wieder zu vergessen, wie alltäglich Sexismus in seinem ganzen Spektrum von Gewalt bis Geringschätzung von Frauen, von allem „Weiblichen“ oder von zu wenig „Eindeutigem“, ist.
Diese Abwertung spiegelt sich auch in der stiefväterlichen Herablassung, mit der politische Themen, die vor allem Frauen und Mädchen betreffen – häusliche Pflege, Erhöhung von Kindergeld, Altersarmut, Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren, Schutz vor sexuellem Missbrauch (auch und vor allem innerhalb der Familie) – behandelt werden.
Auch abseits von Gewalt und Missbrauch wird aus jahrhundertealter Gewohnheit einfach fortgeschrieben, was so vertraut erscheint und Machtverhältnisse zementiert. Was ist ein Groupie eigentlich genau – kann das irgendjemand ohne sexistische Zwischentöne erklären? Gibt es das Wort auch in „männlich“ in Bezug auf weibliche Stars?
„Auch abseits von Gewalt und Missbrauch wird aus jahrhundertealter Gewohnheit einfach fortgeschrieben, was so vertraut erscheint und Machtverhältnisse zementiert.“
Natürlich gibt es einen neuen Kulturkampf von rechts, der dem ganzen Gender-, LGBTIQ*- und Feminismus-„Gedöns“ die Schuld für den angeblichen Niedergang des Landes gibt. Der lauter wird, der gefährlich anschlussfähig an konservative Kreise ist. Und in diesem Zusammenhang trauen sich auch wieder mehr Menschen, das zu sagen, was sie vermutlich schon immer dachten.
Aber auch abseits davon gibt es eine tief verwurzelte Dominanz von „männlichem“ Verhalten und „männlichen“ Rollen und eine Abwertung von allem, was mit „weiblich“ verbunden wird.
Umfrage zu Männlichkeit von Plan International
Bei der viel diskutierten Umfrage von Plan International unter jungen Männern zwischen 18-35 Jahren heisst das dann „Spannungsfeld Männlichkeit“. Immerhin: 95 Prozent der dort befragten Männer spüren einen „Veränderungsdruck“, aber 53 Prozent ist es immer noch unangenehm über ihre Gefühle zu sprechen. 48 Prozent fühlen sich gestört, wenn Männer ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen. 34 Prozent werden gegenüber Frauen schon mal handgreiflich, um ihnen Respekt einzuflössen.
Abgesehen von der in vielen Medien jetzt diskutierten Frage, wie repräsentativ diese Studie ist, sind diese Ergebnisse wirklich ein Backlash? Oder ist es einfach so: Alle gesellschaftlichen Bereiche sind von patriarchalen Strukturen durchzogen und das zu verändern ist ein Marathon und kein Sprint.
„Alle gesellschaftlichen Bereiche sind von patriarchalen Strukturen durchzogen.“
Schon der Social Gender Gap Report von 2022 des Weltwirtschaftsforums, der sich vor allem auf ökonomische Verhältnisse, Ausbildung, Gesundheit und politische Gleichstellung von Frauen und Männern weltweit bezieht, sprach davon, dass es noch 132 Jahre dauert, diese Lücke zu schließen, wenn es bei dem aktuellen Tempo bleibt.
Der nicht-„männlich“ auftretende oder sich nicht als Mann identifizierende Teil der Gesellschaft spürt das an jedem einzelnen Tag! Also bitte: bei der nächsten erschreckenden Studie, dem nächsten #MeToo-Fall, schenkt euch das Überraschtsein. Dann kommen wir ohne Umwege zu der Frage: Was können wir tun, damit das endlich aufhört UND der Kulturkampf von rechts nicht weiter verfängt?
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