Theaterstück über nichtbinäre Persönlichkeit des 18. Jahrhunderts
Am 10. März feiert das Theaterstück „Alias Anastasius“ im Berliner Ensemble Premiere. Inspiriert von Angela Steideles Buch „In Männerkleidern" erzählt es die Geschichte von Anastasius Rosenstengel, der*die im Jahr 1721 wegen Unzucht hingerichtet wurde
Was für ein Leben: 1687 in Thüringen als Catharina Margaretha Linck geboren, mit 15 Jahren aus dem Waisenhaus ausgebrochen, neue Identität als Anastasius Lagrantinus Rosenstengel, Militär, Desertieren, Festnahme, Flucht vor einem Todesurteil, Heirat mit einer Frau, erneut Gefängnis, Todesurteil wegen „Unzucht mit einer anderen Frau“, Hinrichtung 1721.
Ein Name wie ein Vermächtnis
Nach den Akten des Hallenser Kriminalkollegiums, das Catharina/Anastasius verurteilte, und durch den Briefwechsel dieser Instanz mit Preußenkönig Friedrich Wilhelm I., der auf Tod durch Verbrennen drängte, lässt sich fragmentarisch ein Lebensbild rekonstruieren. „Bis auf ganz wenige Worte wissen wir nicht, was Catharina/Anastasius selbst gesagt hat“, sagt die junge Regisseurin Fritzi Wartenberg, die zufällig auf ihre*seine Biografie stieß.
„Aber dieser Name, den sie*er sich gegeben hat, ist wie ein Vermächtnis: Anastasius heißt ,der Auferstandene‘. Er steht einerseits für Catharinas Wiedergeburt als Person, die als Mann gelesen wird, kann jedoch auch verstanden werden als Hinweis auf ein ,ledernes Instrument‘, wie es in den Inquisitionsakten genannt wird.“ Damit ist ein Leder-Dildo gemeint, den sich Anastasius anfertigte. Er diente sowohl als Pinkelhorn als auch um ihre*seine Sexualität auszuleben.
„Es ist schon außergewöhnlich, dass zu jener Zeit, als es so undurchdringliche Gender-Kategorien gab, eine Person sagte: Nein, ich bin beides.“
Aber weiter zu dem Namen von Anastasius: „Lagrantinus finde ich spannend, denn diesen Namen gab es vorher gar nicht. Das ist ein absoluter Befreiungsschlag, sich einen selbst ausgedachten Namen zu geben“, findet Fritzi Wartenberg. „Und Rosenstengel, das ist das Beste aus beiden Welten, wenn man so will. Es ist schon außergewöhnlich, dass zu jener Zeit, als es so undurchdringliche Gender-Kategorien gab, eine Person sagte: Nein, ich bin beides.“
Fluide Geschlechter
Die Dramatisierung, die Fritzi Wartenberg auf die Bühne bringt, hat das Autor*innen-Duo Matter*Verse geschaffen. „Uns ist relativ schnell klar geworden, dass wir die Geschichte aus Catharinas/Anastasius‘ Sicht erzählen wollen“, so die Regisseurin, „dann war die Frage: Wie erzählt man die Geschichte einer Person, die so fluide ist? Um der Fluidität dieser Figur gerecht zu werden, haben wir uns entschieden, sie mit zwei Personen zu inszenieren.“
Fritzi Wartenberg, die bereits während ihres Studiums in Wien das queer-feministische Theaterkollektiv FTZN gegründet hat, wagt bei „Alias Anastasius“ das Experiment: „Für mich steht bei diesem Projekt auf jeden Fall im Fokus, dass ich mich nicht in den sechs Wochen Probenprozess darauf konzentrieren will, ein aalglattes, perfektes Endergebnis auf die Bühne zu bringen, sondern im Arbeitsprozess zu fragen: Was gibt es für Wege, die wir noch nicht erforscht haben?“
SIEGESSÄULE präsentiert
Alias Anastasius,
08.03., 19:00,
10.03. (Premiere) + 11.03., 20:15,
13.03., 20:00,
15.+16.+18.03., 20:15,
02.04., 19:00,
Berliner Ensemble
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