Gegen Rechtsruck: Pride bedeutet Widerstand!
Was bedeutet Pride für junge Queers in einem politischen Klima, in dem die AfD zweitstärkste Kraft ist und die Fußball-EM deutschen Nationalstolz wieder gesellschaftsfähig macht? Sophia Sailer, Host des queeren Podcasts „Willkommen im Club“, kommentiert
Die Pride-Saison soll für queere Menschen eigentlich ein Safer Space sein. Dieses Jahr müssen wir aber den Platz für Deutschland-Fans räumen. In Kombi mit einer erstarkenden Rechten? Das ist im besten Fall ungemütlich, im schlimmsten gefährlich.
Ich wollte Pride-Flaggen und bekam Deutschlandfahnen
Deutschland darf endlich wieder: Zur hierzulande ausgetragenen Fußball-Europameisterschaft der Männer werden die Autofahnen rangesteckt, das Schlandtrikot ausgepackt, die Blumenkette in Schwarz-Rot-Pissgelb umgelegt. Wo letzte Woche noch eine Pride-Flagge wehte, sieht man heute eine Deutschlandflagge. Die EM ist das Vehikel, das es braucht, damit Deutsche wieder ungehindert ihren Nationalstolz und mit ihm die Flaggen raushängen lassen können. Aber stolz sein auf was eigentlich?
Die Gewalt gegen jüdische Menschen nimmt zu, wie die 13. Ausgabe des „Zivilgesellschaftlichen Lagebilds Antisemitismus“ der Amadeu Antonio Stiftung aufzeigt. Mitte Juni haben Jugendliche in Grevesmühlen, Mecklenburg-Vorpommern, zwei Schwarze Mädchen rassistisch angegriffen. Dabei verletzten sie ein achtjähriges Mädchen und dessen Vater. Fast zur selben Zeit wurde ein schwules Paar verprügelt, weil es gewagt hatte, sich in der Öffentlichkeit zu küssen. Und zwar mitten in der „Regenbogenhauptstadt“, im ach so bunten Berlin, das sich gleichzeitig als Gastgeber für EM-Zuschauer*innen besonders weltoffen präsentieren will.
Auch junge Queers wählen rechts
In diesem Klima mobilisiert eine Partei, indem sie gegen trans* Personen hetzt und damit offenbar punktet. Nicht nur irgendwo, sondern auch unter den vermeintlich progressiven jungen Leuten war sie erfolgreich und sogar unter queeren Menschen finden sich solche, die geschichtsvergessen ihre Stimme einer Partei geben, die beim Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall gilt. Das belegen unter anderem die Ergebnisse einer Studie zum Wahlverhalten in der LGBTIQ*-Community des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Gießen.
Auch queere Menschen geben ihre Stimme also einer Partei, die „Remigration“ fordert und damit meint, was gut situierte weiße Menschen auf Sylt ganz unverblümt grölen, selbst dann, wenn Kameras auf sie gerichtet sind. Dass es nicht bei den Parolen bleibt, zeigen nicht nur Beispiele wie die der angegriffenen Schwarzen Mädchen, eine Bedrohung, die für von Rassismus betroffene Menschen Alltag ist. Das zeigt auch eine Politik, die Abschiebung im großen Stil fordert.
„Deshalb ist es an der Zeit, dass wir uns bewusst machen, was die Pride neben einer großen Party schon immer war: politischer Widerstand!“
Wie lange wird es wohl dauern, bis das erste Mal nach einem Fußballspiel besoffene Männergruppen in Deutschland-Dress rassistische Parolen zu Gigi D’Agostino durch die Straßen brüllen werden? Wie soll man sich in diesem Kontext als queere Person frei fühlen und Pride feiern?
Die Stonewall Riots 1969, auf welche der Pride Month zurückgeht, wurden allen voran von Schwarzen Menschen und trans* Personen angestoßen und vorangetrieben. Ihren Kämpfen haben wir als queere Community in all ihrer Vielfalt zu verdanken, dass wir heute rechtlich besser gestellt sind. Deshalb ist es an der Zeit, dass wir uns bewusst machen, was die Pride neben einer großen Party schon immer war: politischer Widerstand!
Podcast: „Willkommen im Club“
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