Sexclubs nach Corona-Pause: Alles wie früher?
Was hat sich durch Corona in den Berliner Sexclubs und Darkroom-Bars verändert? Wie läuft es nach der Wiedereröffnung? Wir fragten beim Club Culture Houze und beim Ficken 3000
Bereits seit einem Vierteljahrhundert veranstaltet das Club Culture Houze am Görlitzer Park Sex-Partys für Hedonist*innen aller Orientierungen und Gender. Nach der Covid-Pause gibt es heute wieder regelmäßig Veranstaltungen an sechs Tagen die Woche, vom „Naked Monday" über „Bi for U“ bis hin zur „Fist Factory“.
„Das Verhältnis von Distanz und Nähe ist erschüttert."
Noch aber ist laut Betreiberin Veronika Semmelrogge nicht alles ganz so wie früher. Tourist*innen sind nicht nicht in voller Anzahl in die Stadt zurückgekehrt – und auch im Umgang miteinander hat die Epidemie Spuren hinterlassen: „Es ist doch allen Menschen ein kleines Trauma widerfahren“, berichtet Veronika Semmelrogge. „Und als Veranstalterin sexualisierter Events merke ich natürlich, dass das Verhältnis von Distanz und Nähe erschüttert ist. Einige tun, als wenn nichts gewesen wäre. Viele aber sind verschreckt, ängstlich und irritiert und wissen nicht mehr so genau, wie sie aufeinander zugehen sollen. Aber im Laufe des Abends kriegen wir es immer hin, dass sich die Gäste loslösen von den Konventionen.“
Für zusätzliche Verunsicherung sorgt vermutlich derzeit auch die Verbreitung des Affenpockenvirus. Im Mai 2022 hatte das Robert Koch Institut (RKI) erste Fälle des Virus in Deutschland registriert. Bis zum heutigen Tag (03.06.) sind dem RKI 65 bundesweite Fälle von Affenpocken bekannt, die Zahl der Infizierten in Berlin liegt derzeit bei 39, wie unter anderem der Tagesspiegel und der RBB berichteten. Affenpocken werden „derzeit insbesondere (aber nicht ausschließlich) bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), diagnostiziert und das Auftreten der Läsionen im Uro- und Anogenitalbereich in einigen Fällen deuten darauf hin, dass die Übertragung während des Geschlechtsverkehrs erfolgte“, heißt es auf der Webseite des RKI. Affenpocken werden durch engen Körperkontakt übertragen. Um sich selbst und andere zu schützen, gilt daher: Bei Symptomen (erste Symptome sind Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen sowie geschwollenen Lymphknoten) Körperkontakt vermeiden und eine Arztpraxis aufsuchen. Affenpocken seien laut RKI „selbstlimitierend, die meisten Menschen erholen sich innerhalb von mehreren Wochen.“
Einige Stammgäste fehlen
Noch immer vermisst Veronika außerdem einige alte Stammgäste. Andererseits konnte sie in den letzten Wochen viele jüngere Gäste begrüßen: „Offensichtlich gibt es einen Haufen Menschen, die schon immer mal vorbeikommen wollten und jetzt nach dem Hüttenkoller endlich alles kennenlernen wollen, was es so gibt. Die sind ganz entzückt und ein bisschen zerknirscht, dass sie es nicht doch schon früher mal probiert haben.“
Inzwischen gibt es auch jeden Samstag Nachmittag ab 14:00 Uhr ein FLINTA*-Event, jedes Mal mit einem etwas anderen Inhalt, von Sex-Workshops über Screening von „feministischen Filmen des Begehrens“ bis hin zum „FlI*T*chen“-Nachmittag.
„Es war immer mein großer Traum, dass wir nicht nur ab und zu ein FLINTA*-Event haben, sondern regelmäßig,“ so Veronika. „Jetzt nach 25 Jahren haben wir das endlich etabliert. Und das funktioniert gut.“ Aber auch an den anderen Abenden begeistern Publikum und Stimmung die Chefin: „Es ist eine tolle Mischung von teilweise ganz jungen neuen Leuten, mit sehr positiver Einstellung zum Leben, zum Ausgehen und zum Miteinander.“
Ausgehungerte Gäste im Ficken 3000
Im Ficken 3000 waren Gäste sogar so dankbar, dass sie zur Wiedereröffnung Mitte Februar mit Blumen kamen. „Ich dachte, ich bin im falschen Film,“ erinnert sich Mit-Betreiber Frank. „Ich bin doch noch gar nicht tot!“
Der Darkroom-Club auf der Urbanstraße legte damals einen Neustart quasi von Null auf Hundert hin. „Wir verstehen uns zwar als Club, sind aber von der Konzession her eine Gaststätte“, berichtet Frank. „Deshalb konnten wir schon vor dem Berghain und Kitkat wieder eröffnen.“ Und dieses Angebot wurde von den ausgehungerten Clubbern gierig angenommen: Jeden Abend gab es eine lange Schlange vor der Darkoom-Bar. „Teilweise bis zum Hermannplatz! Jeden Tag war die Bude wirklich brechend voll“, so Frank. „Mit Eröffnung der Clubs im April ist es jetzt Gottseidank etwas abgeflaut. Es war ja auch anstrengend, all die Leute reinzubringen. So viel Platz haben wir ja auch gar nicht.“
Viele junge Leute aber haben in dieser Zeit das Ficken 3000 kennen und lieben gelernt und sind ihm treu gebliebenen. „Einige fingen schon an, uns als ,kleines Berghain' zu bezeichnen. Das gefiel mir aber gar nicht, hauptsächlich wegen deren übertriebenen Preispolitik. Viele Berliner*innen haben auch deshalb dort die Nase voll und kommen lieber zu uns.“ Inzwischen gibt es im Kellergeschoss einen zweiten Floor und so kann man in der Darkroom-Lounge Tanzen mit Ficken verbinden. „Dort wird viel getanzt und viel gefickt – da besteh ich auch drauf! Die Leute können sich natürlich auch gerne unterhalten, aber bitte dann oben, nicht unten im Darkroom.“
Zukunftsvision
Laut Frank hat sich das Publikum in den 24 Jahren Ficken 3000 fünfmal komplett ausgetauscht: „Wir sind gerade viel jünger geworden. Ich schätze, das Durchschnittsalter liegt jetzt so zwischen 25 und 35.“ Frank freut sich außerdem über viele queere und non-binäre Gäste, außerdem aktuell auch viele Besucher*innen aus der Ukraine und Russland.
Der neue Run auf die Bar hat alte Pläne neu beflügelt: „Wir suchen Flächen in einem Gewerbehaus in Schöneberg, um mit einem neuen Club die trostlose Szene dort aufzufrischen – inklusive einer Abteilung für Frauen. Aber was Bezahlbares ist dort wahnsinnig schwer zu finden.“
Wenn es soweit ist, soll der Laden auf der Urbanstraße zu einer 24- Stunden-Bar umfunktioniert werden. „Wo man sich schon morgens vor oder nachmittags gleich nach der Arbeit gegenseitig die Schwänze überall reinstecken kann,“ so Frank über seine Zukunftsvision.
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