Schwuler Shootingstar siovo: „Ich mache mich nackt und angreifbar“
Er ist ein neuer Stern am Himmel der queeren Popmusik: siovo. In seiner aktuellen EP „Kauft dem Jungen Blumen“ vereint er Synthie-Pop mit Herzschmerz. SIEGESSÄULE-Autor Sascha Suden sprach mit ihm über queere Selbstfindung, Vorbilder und Mut in der Kunst. Heute Abend tritt siovo in der Kantine am Berghain auf
Kurz ist er irritiert. Hat ihn der Interviewer gerade gefragt, ob er auch als „süchtiger“ Junge erfolgreich wäre? Nein, nicht „süchtig“, sondern „züchtig“. Er ist erleichtert. Aber weder süchtig noch züchtig kann er sich vorstellen zu sein.
Der Junge ist siovo, der geheime Shootingstar der Popmusik und vor allem der queeren Community. Blond, zierlich, sieht er live eher aus wie 18 Jahre. Doch er ist 22. Zum Interview kommt er im XXL-Style mit Basecap. Dabei zeigt er normalerweise sich und seinen Körper gerne: Durchtrainiert, kein Gramm zu viel, tanzt er oft halbnackt durch seine Musikvideos. Für ihn nur konsequent: „Das ist für mich die ehrlichste Darstellung meines Selbst. Und wenn der züchtige Junge mit Rollkragenpullover meine Persönlichkeit wäre, dann wäre ich damit auch erfolgreich.“
Für seine Fans ist er aber – Gott sei Dank – freizügig. Er findet es wichtig, mutig zu sein. Auf dem Cover seiner neuesten EP „Kauf dem Jungen Blumen“ zeigt er sich ohne Hosen. „Ich mache mich nackt, ich ziehe mich aus und mache mich angreifbar,“ sagt er. Und dabei ist er auch noch hübsch anzusehen. „Ich mache daraus Kunst.“
Autotune als Stilmittel
Eine Mischung aus Synthie-Pop und 2000er Indie-Electro: modern und tanzbar. Mit jeder Menge Audiotunes. Vertraut er seiner Stimme nicht? „Doch, aber es ist für mich ein Stilmittel. Ich weiß, dass ich singen kann und muss es nicht beweisen. Das müssen die Leute hinnehmen.“
siovo, der eigentlich Simon heißt ist bei Stuttgart aufgewachsen. Mit lieben Eltern, die mit seinem Schwulsein keine Probleme hatten, mit Ballett und Tanz, hat er dort in Musicals gesungen. Bevor er wusste, dass er schwul ist, war er schon Künstler. Bereits im Kinderzimmer hat er Musik gemacht. „Es geht nicht um Fame. Man sollte sich immer wieder klarmachen, dass Künstler nicht deshalb Musik machen, um groß rauszukommen.“
Doch er ist auf einem guten Weg. Er hat bereits mit 18 Jahren einen Plattenvertrag bekommen und ist jetzt bei Four Music unter Vertrag, die auch Mark Foster vertreten. Mittlerweile ist er nach Berlin gezogen: „Für mich war es damals das Paradies. Schließlich war ich ein queerer Mann aus einer Kleinstadt.“ Dort hat er auch Hass erlebt. Seine Lieder kreisen aber eher um Liebe, Verletzungen und Freundschaft. Dabei überschattet die Musik die lyrischen Texte, zum Beispiel in „Noch nie“: „Mich hat noch nie jemand, noch nie jemand verletzt (wie jetzt) / Ich hab mich nie jemals, noch nie jemals verschätzt (wie jetzt) / Mich hat noch nie jemand so gewissenlos ersetzt.“
Ähnlichkeit zu Troye Sivan?
Seine Fans bei YouTube kommentieren begeistert: „Geht direkt ins Herz.“ Er ist offen schwul und zeigt es in seinen Videos. Topless, oft mit sexy Tänzern, küssend. Dabei drängt sich der Vergleich zu Troye Sivan auf. „Wir haben wenig gemeinsam außer, dass wir junge schwule Männer sind.“ Über den Vorwurf, dass Troye nur auf Tour ist, um Sex zu haben, lacht er: „Ich glaube Troye hat auch ein schönes, erfülltes Sexleben ohne Tour.“ Auch er sei nicht Musiker geworden, um Jungs ins Bett zu kriegen: „Dafür brauche ich keine Musik.“
„Es motiviert mich, meine Kunst in den Mainstream zu bringen, um Leute zu erreichen, die keine Berührung mit queerem Leben haben.“
siovo ist sich seiner Rolle als queere Identifikationsfigur bewusst. „Es motiviert mich, meine Kunst in den Mainstream zu bringen, um Leute zu erreichen, die keine Berührung mit queerem Leben haben.“ Für die größte Möglichkeit, queeres Leben im Musikbusiness sichtbar zu machen ist er jedoch noch nicht bereit: Deutschland beim ESC zu repräsentieren. Das bedarf viel Mut, „weil es eine Competition ist“. Allgemein macht er sich nichts aus Bewertungen und Wettbewerben. Ein wenig Angst schwingt natürlich auch mit, gibt er zu. Dabei bräuchte er sie nicht zu haben. Seine Persönlichkeit, seine Musik, seine Texte würden ihn an die Spitze Europas bringen. Und dann bekäme der Junge auch Blumen.
Konzert von siovo
10.10., 20:00
Kantine am Berghain
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